DFB-Pokal: Wie geht es weiter mit Dynamo Dresden? – Eine rechtliche Analyse

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UPDATE: Besprechung der Schiedsgerichtsentscheidung des Ständigen neutralen Schiedsgerichts (15.09.2013)
UPDATE: Siehe auch Anmerkung von Herrn Rechtsanwalt Dr. Tim Bagger zur Entscheidung des OLG Frankfurt in SpuRt 2013, 207. (14.10.2013)

– Zugleich eine Besprechung von OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.06.2013, Az. 26 SchH 6/13 –

Für den Juristen und Sportrechtler ist im Zusammenhang mit der aktuellen Causa Dynamo Dresden eines klar: Spannender als im Moment geht es nicht. Mit den Rechtsfragen, die im Zusammenhang mit dem andauernden Kampf von Dynamo Dresden auf Zulassung zum DFB-Pokal 2013/2014 aufgerufen werden, wird am juristischen Hochreck hantiert. Die Probleme sind schwierig, ihre Lösung ist offen. Auch nach der Entscheidung des OLG Frankfurt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, Dynamo Dresden nicht im Wege der einstweiligen Verfügung in das Losverfahren für die kommende Pokalrunde aufzunehmen (vgl. Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt, Pressemitteilung des DFB), soll nach Aussage des Geschäftsführers von Dynamo Dresden die Sache weiterverfolgt werden. Das OLG Frankfurt wird also auch in der Hauptsache spannende Rechtsprobleme umfassend zu beleuchten haben.

Inhaltsübersicht

Das einstweilige Verfügungsverfahren

Mir liegt die Entscheidung des OLG Frankfurt in der Schiedsgerichtssache SG Dynamo Dresden e.V. gegen den Deutschen Fußball-Bund e.V. (Beschluss vom 13.06.2013, Az. 26 SchH 6/13) im Originalwortlaut vor; dieser ist jetzt auch im Volltext in der Entscheidungsdatenbank des Landes Hessen abrufbar. Sie ist zwischenzeitlich auch in der Zeitschrift für Sport und Recht (SpuRt 2013, 206) abgedruckt.

Im einstweiligen Verfügungsverfahren griff Dynamo Dresden die Entscheidung des Ständigen neutralen Schiedsgerichts für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen an. So heißt es im Beschluss des OLG Frankfurt wie folgt: (Nur Germanisten werden Spaß an der Beantwortung der Frage haben, ob es für Dynamo Dresden „Der Antragsteller“ heißen müsste, weil Antragsteller der eingetragene Verein Dynamo Dresden ist [der auch mit „e.V.“ im Rubrum erscheint], oder ob „Die Antragstellerin“ für die Sportgemeinschaft Dynamo Dresden hier die „richtigere“ Bezeichnung ist.)

„Die Antragstellerin hält die Entscheidung für ordre public-widrig und beabsichtigt, einen Aufhebungsantrag nach § 1059 ZPO zu stellen. Zur Absicherung ihres Aufhebungsinteresses begehrt sie den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Antragsgegner aufgegeben werden soll, die Entscheidungen des DFB-Sportgerichts vom 10.12.2012, des DFB-Bundesgerichts vom 17.03.2013 und des Ständigen Schiedsgerichts vom 14.05.2013 nicht zu berücksichtigen und [die] Antragstellerin zur Auslosung des DFB-Vereinspokals für die Saison 2013/2014 zuzulassen und ihr [die] Teilnahme an diesem Wettbewerb zu gewähren.“

Dynamo Dresden begehrte also im einstweiligen Verfügungsverfahren eine (vorläufige) Berücksichtigung bei der kommenden Auslosung zum DFB-Pokal am 15.06.2013. Bekanntlich lehnte der Senat dies zwei Tage vorher mit der zu besprechenden Entscheidung ab.

Bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren hatte sich der Senat mit schwierigen Rechtsfragen zu befassen. Im Geltungsbereich einer echten Schiedsvereinbarung vermeintliche Ansprüche im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchzusetzen, ist nicht unproblematisch, weil durch die Schiedsvereinbarung der Weg zu ordentlichen Gerichten ja gerade ausgeschlossen und eine Regelung des Sachverhalts gerade durch das Schiedsgericht erfolgen soll (vgl. zur Problematik insgesamt etwa Cherkeh/Schroeder, Einstweiliger Rechtsschutz durch staatliche Gerichte im Anwendungsbereich einer Athletenvereinbarung, SpuRt 2007, 10). Trotzdem war er auch schon nach alter Rechtslage (vor dem Reform des Schiedsgerichtsrechts in der ZPO) regelmäßig zulässig. Heute gilt § 1033 ZPO, so dass (falls der einstweilige Rechtsschutz nicht ausdrücklich in der Schiedsvereinbarung dem Schiedsgericht übertragen ist) das einstweilige Verfügungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten durchgeführt werden kann. Hier lag also kein Problem mehr. Bestimmt man den Streitgegenstand noch konsequenter, stellt sich m.E. die Frage wohl allerdings gar nicht (s.u.).

Sachliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts

Der Senat sieht sich für die Entscheidung in dem einstweiligen Verfügungsverfahrens nur kraft bindender Verweisung gemäß § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO als sachlich zuständig an.

Dynamo Dresden hatte den einstweiligen Verfügungsantrag zunächst beim OLG Frankfurt gestellt, diesen dann aufgrund eines Hinweises des Senats zurückgenommen und beim LG Frankfurt angebracht. Da sich dann allerdings dieses selbst für sachlich unzuständig hielt, hat es das Verfahren dann nach einem entsprechenden Hinweis und Antrag von Dynamo Dresden an das Oberlandesgericht Frankfurt verwiesen.

So sah sich der Senat dann genötigt, seinem untergeordneten Landgericht keine Willkür zu bescheinigen (was die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses beseitigt und zur Zuständigkeit des Landgerichts geführt hätte) und insoweit auszuführen, „dass die Entscheidung des Landgerichts nicht völlig unverständlich und im Ergebnis unhaltbar ist“. Hierbei ging es um die Streitfrage, welches Gericht „Gericht der Hauptsache“ i.S.v. § 943 Abs. 1 ZPO ist. Die überwiegende Meinung in der Literatur ist der Auffassung, dass dieses in Fällen, in denen das Streitverfahren vor einem Schiedsgericht durchzuführen ist oder durchgeführt wird, das Amts- oder Landgericht ist, welches nach den allgemeinen Regelungen ohne Schiedsvereinbarung zuständig wäre. Das LG Frankfurt ist wohl davon ausgegangen, dass das Gericht der Hauptsache das OLG Frankfurt wäre, weil es dasjenige Gericht ist, welches auch für die Aufhebung des Schiedsspruches nach § 1062 Abs. 1 ZPO zuständig wäre. Spontan erscheint mir hier die Auffassung des Senats die zutreffendere zu sein: Es ging ersichtlich nicht um eine einstweilige Regelung in Bezug auf die Aufhebung des Schiedsspruches, der zum einen noch nicht beantragt und zum anderen dem Antragsteller wohl nicht das Gewünschte gebracht hätte (s.u.), sondern um eine vorläufige Regelung bezogen auf die Teilnahme am DFB-Pokal bis das noch einzuleitende Aufhebungsverfahren endgültig entschieden ist.

Entscheidung des OLG Frankfurt im einstweiligen Verfügungsverfahren in der Sache

Im Ergebnis überzeugt mich der Senat, in der Begründung indes nur teilweise.

Er fußt seine Begründung im Wesentlichen auf zwei Aspekte: Zum einen sei der begehrte Verfügungsanspruch nicht in diesem Umfang im einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzbar, zum anderen stehe auch der Grundsatz des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen.

Kein Anspruch „in diesem Umfang“ im einstweiligen Verfügungsverfahren

Hierzu führt der Senat aus:

„[Auch] nach Erlass eines Schiedsspruchs und der damit eingetretenen Beendigung des Schiedsverfahrens [kann] noch die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach den allgemeinen Grundsätzen in Betracht kommen ([m.w.N.]), allerdings nach Auffassung des Senates nur noch in einem durch die besondere Verfahrensart eingeschränkten Umfang. […] [Es] folgt zwingend, dass eine einstweilige Verfügung nicht erlassen werden kann, wenn bezüglich des zu sichernden Anspruchs bzw. des zu regelnden streitigen Rechtsverhältnisses bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt, die das Bestehen des Anspruchs bzw. eines Rechtsverhältnisses verneint. Im vorliegenden Fall lag im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein endgültiger Schiedsspruch im Sinne der §§ 1054 ff. ZPO vor, mit dem das Begehren der Antragstellerin auf Aufhebung der Entscheidungen des Sport- und des Bundesgerichts des DFB und Zulassung zum DFB-Vereinspokal zurückgewiesen wurde. […] Dieser Schiedsspruch hat unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils (§ 1055 ZPO). […] Schon vor diesem Hintergrund erachtet es der Senat für nicht zulässig, in einem nach Abschluss des Schiedsverfahrens eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahrens den zugrunde liegenden materiellen Anspruch bzw. das streitige Rechtsverhältnis einer nochmaligen uneingeschränkten Prüfung durch das staatliche Gericht zu unterziehen, denn in einem durchzuführenden Aufhebungsverfahren nach §§ 1062 Abs. 1 Nr. 4, 1059 ZPO, also dem Hauptsacheverfahren im Sinne des § 943 ZPO, könnte die Entscheidung des Schiedsgerichts nur in dem nach § 1059 Abs. 2 ZPO vorgesehenen Rahmen überprüft werden. Eine sachliche Nachprüfung des Schiedsspruches auf die Richtigkeit der Streitentscheidung findet [im einstweiligen Verfügungsverfahren] nicht statt; vielmehr gilt das Verbot der révision au fond ([m.w.N.)].“

Dies leuchtet ein und ist richtig: Solange der Schiedsspruch „steht“, d.h. nicht im „Ausnahmeverfahren“ des Aufhebungsantrags nach §§ 1059, 1062 ZPO durch das zuständige Gericht in dem speziell dafür vorgesehenen Verfahren aufgehoben worden ist, entfaltet er seine Urteilswirkungen (§ 1055 ZPO). Und solange das der Fall ist, kann der Antragsteller mit seinem Begehren im einstweiligen Verfügungsverfahren keinen Erfolg haben. Denn anders als etwa das einstweilige Anordnungsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (bei offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache) kommt es im einstweiligen Verfügungsverfahren nach der ZPO nicht zu einer Folgenabwägung. Vielmehr muss der begehrte Verfügungsanspruch dem Antragsteller materiell tatsächlich zustehen – eine „summarische Prüfung“ gibt es insoweit nicht. Dies ist aber gerade nicht der Fall, weil bei unaufgehobenem Schiedsspruch die Entscheidungen des DFB-Sport- und -bundesgerichts das zivilrechtliche Rechtsverhältnis zwischen den Parteien wirksam dahin gestalten, dass der Antragsteller gerade keinen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Teilnahme am DFB-Pokal hat. Damit hätte der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sehr schlank mit der Begründung abgelehnt werden können, dass der notwendige Verfügungsanspruch nicht besteht, zumal das Aufhebungsverfahren nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers noch gar nicht eingeleitet war.

Dieses Vorgehen ist natürlich auch aus tatsächlichen Gründen konsequent: Zwar liegt durch den Erlass und die Verkündung des Tenors des Schiedsspruches schon ein wirksamer Schiedsspruch des Ständigen neutralen Schiedsgerichts vor (wovon der Senat offensichtlich auch ausgeht, ohne hierzu Stellung zu nehmen), allerdings lagen die Gründe des Schiedsspruches nicht vor, was angesichts des Begründungsumfangs und -bedarfs keine Überraschung, sondern eher eine Selbstverständlichkeit ist. Alleine deswegen kann der Senat faktisch überhaupt keine inhaltliche Überprüfung des Schiedsspruchs vornehmen.

Allerdings setzt sich der Senat mit seiner – im Übrigen für die Begründung unschädlichen, aber in dieser Gestalt wohl unrichtigen und überflüssigen – Apposition „also dem Hauptsacheverfahren im Sinne des § 943 ZPO“ in diesem Absatz in Widerspruch zu seiner eigenen Auffassung zur sachlichen Zuständigkeit (s.o.). Ziel des einstweiligen Verfügungsverfahrens ist „Lass mich (vorläufig bis zur endgültigen Entscheidung über den Schiedsspruch) zum DFB-Pokal zu!“ Ziel des Aufhebungsverfahrens nach §§ 1062, 1059 ZPO ist hingegen „Heb den Schiedsspruch auf!“, was – wie auch der Senat (vgl. insoweit sogleich unten) zu Recht herausstellt – zunächst auf die Teilhabe des Antragstellers am DFB-Pokal-Wettbewerb 2013/2014 keinen Einfluss hat. Deswegen ist das Aufhebungsverfahren gerade nicht Hauptsacheverfahren zu diesem einstweiligen Verfügungsverfahren, weswegen in erster Instanz sachlich auch das Landgericht zuständig gewesen wäre. Meint der Senat, dass das Aufhebungsverfahren tatsächlich das Hauptsacheverfahren des jetzt von ihm entschiedenen einstweiligen Verfügungsverfahrens im Sinne des § 943 ZPO ist, hätte er den ersten Antrag von Dynamo Dresden selbst verbescheiden müssen und nicht auf seine Rücknahme drängen dürfen. Diese Apposition dürfte m.E. eher ein redaktionelles Versehen bei der Beschlusserstellung sein, um der Argumentation der eingeschränkten Überprüfbarkeit des Schiedsspruchs im einstweiligen Verfügungsverfahren Nachdruck zu verleihen. Das ist aber überhaupt nicht nötig. Die Begründung des Senats trägt auch dieses Argument aus den anderen dargestellten Sachargumenten. Denn solange der Schiedsspruch vom zuständigen staatlichen Gericht nicht durch rechtsgestaltende Entscheidung ex tunc aufgehoben worden ist, entfaltet er alle seine Wirkungen. Eine Inzidentprüfung findet nicht statt. (Zöller-Geimer, § 1059, Rdnr. 18). Allein deswegen kann es im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht zu einer inhaltlichen Überprüfung des Schiedsspruches kommen.

Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache

Insoweit führt der Senat aus:

„Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, dass eine einstweilige Verfügung grundsätzlich die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht vorwegnehmen darf und jedenfalls dem Antragsteller in der Sache nicht mehr zugesprochen werden kann, als er in der Hauptsache erlangen könnte ([m.w.N.]). Wenn aber das Hauptsacheverfahren in diesem Sinne das Verfahren nach §§ 1062 Abs. 1 Nr.4, 1059 ZPO ist, würde selbst bei einem Obsiegen der Antragstellerin lediglich eine Aufhebung der Entscheidung des Schiedsgerichts erfolgen. Die Entscheidung des staatlichen Gerichts hat dabei allein kassatorische Wirkung, so dass in Bezug auf den streitgegenständlichen Anspruch bzw. das streitgegenständliche Rechtsverhältnis der Zustand eintritt, der vor Anrufung des Schiedsgerichts bestanden hat; im Hinblick auf das weitere Verfahren würde § 1059 Abs. 5 ZPO gelten. Mithin würden selbst bei Aufhebung des Schiedsspruches die für die Antragstellerin verbindlichen Entscheidungen des Sport- und Bundesgerichts des DFB Bestand haben; deren Aufhebung fällt weder in die Entscheidungsbefugnis des staatlichen Gerichts noch würde deren Wirkung auf das Rechtsverhältnis der Parteien automatisch mit einer positiven Bescheidung eines Aufhebungsantrags entfallen. Nach diesen Entscheidungen bliebe die Antragstellerin aber vom Pokalwettbewerb für die Saison 2013/2014 ausgeschlossen, so dass die Antragstellerin bei Erlass der von ihr begehrten einstweiligen Verfügung besser gestellt würde als bei einem Obsiegen im Aufhebungsverfahren. […] [E]iner Bewertung der Erfolgsaussichten des angekündigten Aufhebungsverfahrens bedurfte es daher nicht.“

Diese weitere Begründung des Senats erscheint überflüssig. Sie ist im Übrigen auch nur dann zutreffend, wenn „das Hauptsacheverfahren in diesem Sinne das Verfahren nach §§ 1062, 1059 ZPO“ ist – wie der Senat (hier etwas vorsichtiger) selbst ausführt. Dies ist aber, wie oben ausgeführt, m.E. nicht der Fall.

Aber auch darüber hinaus bedürfen die Senatsausführungen einiger Anmerkungen:

Die Feststellung, dass die Aufhebung der Urteile der DFB-Gerichte nicht in die Kompetenz der staatlichen Gerichte fällt, ist nur richtig, soweit das für das vom Senat entschiedene einstweilige Verfügungsverfahren und das Aufhebungsverfahren nach §§ 1059, 1062 ZPO gilt. Hätte etwa das Aufhebungsverfahren das Ergebnis, dass der Schiedsspruch wegen einer unwirksamen Schiedsvereinbarung aufgehoben wird (siehe dazu unten), wären mangels wirksamer Schiedsvereinbarung sehr wohl die ordentliche Gerichte im Wege der Feststellungsklage (dann selbstverständlich in einem separaten Klageverfahren) berufen, über die Wirksamkeit der Entscheidungen der DFB-Gerichte zu befinden.

Etwas knapp ist auch der Hinweis des Senates auf § 1059 Abs. 5 ZPO. Zwar ist unbestritten, dass auch im vorliegenden Fall im Zweifel eine Fortsetzung des Verfahrens vor der Schiedsgerichtsbarkeit gewollt sein dürfte (vgl. Zöller-Geimer, § 1059, Rdnr. 87). Bleibt die Schiedsklausel an sich wirksam und stellt das Gericht einen ordre-public-Verstoß fest, drängt sich hier indes die Anwendung von § 1059 Abs. 4 ZPO auf. Da mit einem entsprechenden Antrag wenigstens einer der Parteien zu rechnen ist, bietet es sich in diesem Fall geradezu für das Oberlandesgericht an, das Schiedsverfahren nach Aufhebung des Schiedsspruchs zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das mit RiBVerfG a.D. Prof. Steiner (als Vorsitzender), PLAG a.D. Dr. Hilpert und Rechtsanwalt Dr. Summerer hervorragend besetzte Schiedsgericht zurückzuverweisen. Denn das Gericht sollte zurückverweisen, sofern keine wichtigen Gründe dagegen sprechen. Widerspricht die andere Partei, ist die Sache zur Zurückverweisung nur dann ungeeignet, wenn aus objektiver Sicht der anderen Partei das Vertrauen in die Amtsführung des Schiedsgerichts fehlt (Prütting/Gehrlein-Raeschke-Kessler, § 1059, Rdnr. 63). Hierfür dürften vorliegend keine Anhaltspunkte vorhanden sein.

Einordnung und Bewertung

Ich halte die Entscheidung des Senats aus den dargestellten Gründen für richtig.

Dieses Ergebnis ist allerdings nicht ohne Gefahr. Zuerst bleibt die Frage aufzuwerfen, ob diese Sichtweise tatsächlich dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes durch die staatlichen Gerichte (Art. 19 Abs. 4 GG) gerecht wird. Die vom OLG Frankfurt vertretene Rechtsauffassung versagt dem Verein in dieser Konstellation einstweiligen Rechtsschutz vor den ordentlichen Gerichten: Nachdem eine schiedsgerichtliche Entscheidung vorliegt, wird der Verein im einstweiligen Verfügungswege keine (vorläufige) Zulassung zu einem in Kürze beginnenden Wettbewerb erreichen können. Allerdings könnte dies eben dadurch gerechtfertigt sein, dass er sich der Schiedsvereinbarung unterworfen und einer Klärung der Sachverhalte außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit freiwillig zugestimmt hat.

Unproblematisch ist dieses (wohl gewollte) Rechtsschutzdefizit allerdings auch nicht für den Antragsgegner und die organisierte Fußballwelt. Dies wird deutlich, wenn man sich die weitere Frage stellt, was denn mit dem Verein und dem DFB-Pokal passieren würde, sollte der Schiedsspruch der Aufhebung unterliegen und später – sagen wir einmal im März 2014 – rechtskräftig festgestellt werden, dass der Ausschluss aus dem DFB-Pokal 2013/2014 unwirksam war. Ohne besondere weitere Feststellung hätte Dynamo Dresden dann einen Anspruch auf Teilnahme am DFB-Pokal 2013/2014. Dieser Wettbewerb wäre zu diesem Zeitpunkt dann aber schon weit fortgeschritten. Sollte er dann von Anfang an neu ausgelost und durchgespielt werden? Das wäre aufgrund des Terminkalenders nicht zu realisieren. Wäre der ganze Wettbewerb damit wegen eines illegalen Teilnehmerfeldes rechtswidrig? Hätten wir keinen legitimen DFB-Pokalsieger 2013/2014? Würde das phantastische alljährliche Fußballfest im Berliner Olympiastadion Makulatur? Dies sind für jeden von uns fußballerische Horrorszenarien, die in jedem Falle vermieden werden müssen. Allerdings wird sich m.E. der DFB – Gott sei Dank für einen ungestörten DFB-Pokal – staatlichen Eingriffen in den laufenden Pokalwettbewerb erfolgreich unter Berufung auf seine Verbandsautonomie i.S.v. Art. 9 Abs. 1 GG erwehren können, weil er sich mit seinem Sportwettbewerb und dessen Organisation im Kernbereich seiner geschützten Autonomie bewegt, die es in diesem besonderen Fall gerechtfertigt erscheinen lässt, Individualinteressen des benachteiligten Vereins zurücktreten zu lassen und diesen ggf. auf einen anderen Kompensationsweg zu verweisen (Feststellung der Rechtswidrigkeit, Schadenersatz). Nach meinem Verständnis der Erklärung von Dynamo Dresden wird der Verein nach dem Unterliegen im einstweiligen Verfügungsverfahren eine nachträgliche Zulassung zum Pokalwettbewerb wohl eher nicht mehr anstrengen.

All diese Fragen werden freilich faktisch (und wohl auch rechtlich) vermieden, wenn es zu einer endgültigen Entscheidung erst nach dem 17.05.2014 (Termin des DFB-Pokalfinals) kommt, was nicht unwahrscheinlich erscheint, zumal bei dem angestrebten Aufhebungsverfahren mündlich verhandelt werden wird (§ 1063 Abs. 2 ZPO), gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zulässig ist (§§ 1065 Abs. 1, 1062 Abs. 1 Nr. 4, 1059 ZPO) und der DFB – im Unterliegensfalle – mit Sicherheit die Reichweite seiner Verbandsautonomie (um die es hier im Kern alleine geht) als Rechtfertigung einer verschuldensunabhängigen Haftung seiner Vereine auch für deren Anhänger durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde gegen die letztinstanzliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs prüfen lassen würde.

Sollte das von Dynamo Dresden erstrebte Ergebnis herauskommen, stehen natürlich statt des etwaig verhinderten Teilnahmeanspruchs mögliche Schadenersatzansprüche im Raum, die m.E. allerdings kaum substantiiert zu beziffern sein dürften, weil der fiktive Erstspielgegner sowie das weitere fiktive Abschneiden des Clubs im Wettbewerb schlechterdings weder durch ein Gericht noch durch einen Sachverständigen auch aus der ex-post-Sicht zu prognostizieren sein dürften.

Aufhebungsverfahren als Antragsverfahren vor dem OLG Frankfurt

Nach Aussage ihres Geschäftsführers Christian Müller sieht sich „die SG Dynamo Dresden […] aufgrund des unnachgiebigen und für neue Argumente wenig empfänglichen Vorgehens der DFB-Sportgerichtsbarkeit gezwungen, die von ihr vertretene Rechtsauffassung zur Unzulässigkeit der verschuldensunabhängigen Haftung […] von staatlichen Gerichten überprüfen zu lassen“ (zitiert nach der Webseite von Dynamo Dresden, s.o.).

Dies kann sie nur tun, wenn sie gegen den Schiedsspruch des Ständigen neutralen Schiedsgerichts vorgeht. Wie das geht, steht in § 1059 Abs. 1 ZPO: „Gegen einen Schiedsspruch kann nur der Antrag auf gerichtliche Aufhebung nach den Absätzen 2 und 3 gestellt werden.“

Frist

Hierbei hat der Antragsteller zunächst die Frist des § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO von drei Monaten zu beachten, die gemäß Satz 2 mit dem „Empfang“ des Schiedsspruchs zu laufen beginnt. Mir ist hier nicht ganz klar, ob das Gesetz mit „Empfang“ (der keine Zustellung i.S. d. ZPO voraussetzt, Zöller-Geimer, § 1059, Rdnr. 10) im vorliegenden Fall auf die Verkündung des Tenors (dann ist Fristbeginn der 14.05.2013) oder auf den Zugang der mit Gründen versehenen Entscheidung abstellen will. (Dann hat die Frist noch nicht zu laufen begonnen, weil die schriftlichen Entscheidungsgründe jedenfalls derzeit noch nicht vorliegen). Für beide Auffassungen gibt es gute Argumente. Sollte sich Dynamo Dresden tatsächlich zu diesem Schritt entscheiden, wird man zweifelsohne den „sicheren Weg“ wählen. Ich neige allerdings der Auffassung zu, dass mit „Empfang“ (schon nach dem Wortsinn) der Zugang der mit schriftlichen Gründen versehenen Entscheidung ist. Schließlich muss dem Aufhebungsantragssteller auch eine angemessene Prüffrist hinsichtlich der Entscheidungsgründe zur Verfügung stehen, die im Belieben des Schiedsgerichts stünde, käme es auf die Verkündung des Tenors an.

Sachliche und örtliche Zuständigkeit

Sachlich und örtlich zuständig für das Aufhebungsverfahren ist gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO das Oberlandesgericht in Frankfurt.

Verfahren

Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt findet eine zwingende mündliche Verhandlung statt (§ 1063 Abs. 2 ZPO); es entscheidet durch Beschluss (§ 1063 Abs. 1 ZPO) .

Rechtsschutzbedürfnis

Auch wenn durch einen entsprechenden Aufhebungsantrag Dynamo Dresden das Ziel, am DFB-Pokal 2013/2014 teilzunehmen, faktisch nicht mehr erreichen können wird (s.o.), fehlt es dem Antrag nicht an einem Rechtsschutzinteresse. Die Belastung durch den Schiedsspruch bleibt bestehen und der Verein hat ein berechtigtes Interesse (Rehabilitation, Wiederholungsgefahr, Vorbereitung eines Schadenersatzprozesses) daran, dessen Aufhebung im vorgesehenen Verfahren zu erreichen.

Aufhebungsgrund

Dynamo Dresden müsste dann einen tauglichen Aufhebungsgrund geltend machen. Diese sind in § 1059 ZPO abschließend aufgeführt und stellen ausschließlich außergewöhnliche Umstände dar, die ausnahmsweise zur Aufhebung eines Schiedsspruchs führen können. Das Aufhebungsverfahren soll diesen Ausnahmecharakter haben, weil nach dem Parteiwillen das Schiedsgerichtsverfahren gerade an die Stelle der ordentlichen Gerichtsbarkeit tritt und diese nicht im Wege des Aufhebungsverfahrens gleichsam „durch die Hintertür“ wieder zum Zuge kommen soll.

§ 1059 Abs. 2 Nr. 1. a) ZPO – unwirksame Schiedsvereinbarung –

Ein möglicher Aufhebungsgrund ist eine unwirksame Schiedsvereinbarung. Die mit dem DFB abgeschlossene Schiedsvereinbarung könnte unwirksam sein, wenn sie nicht freiwillig abgeschlossen wurde. Denn Voraussetzung für eine wirksame Schiedsvereinbarung i.S.d. § 1029 ZPO ist, neben weiterer Voraussetzungen, dass diese freiwillig eingegangen wird. Das ist auch heute noch so, obwohl der heutige Gesetzeswortlaut den Begriff der „Freiwilligkeit“ nicht mehr enthält (Monheim, Die Freiwilligkeit von Schiedsabreden im Sport und das Rechtsstaatsprinzip, SpuRt 2008, 8; Steiner, Das Verhältnis von Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit, SchiedsVZ 2013, 15). Rechtlicher Anknüpfungspunkt für eine fehlende Freiwilligkeit ist hier die strukturell ungleiche Verhandlungsstärke im Sinne einer inhaltlichen Übermachtkontrolle. Die Sportler oder Vereine sollen sich gleichsam genötigt sehen, die Schiedsvereinbarung zu unterschreiben, weil sie alternativlos sind. Die Sportverbände stellten die Schiedsvereinbarungen und deren Vertragspartner hätten keine Verhandlungsmöglichkeit: Sie müssten auch aufgrund der Monopolstellung der Sportverbände unterschreiben, weil sie ansonsten keine Möglichkeit hätten, an den Wettbewerben teilzunehmen, welche der Verband für seine Sportart ausschließlich veranstaltet.

Steiner (a.a.O.) meint, dass man „[f]ür den Sport […] die Lösung der Freiwilligkeitsfrage darin sehen [kann], der zögernden Partei faire Bedingungen für eine selbstbestimmte Abwägung der Vor- und Nachteile der jeweiligen Rechtsschutzoption zu eröffnen.“ Ob diese „fairen Bedingungen“ im Verhältnis zwischen Dynamo Dresden und dem DFB bei Abschluss der Schiedsvereinbarungen für die vergangene Saison vorgelegen haben, wird vor dem Oberlandesgericht Frankfurt Tatfrage sein.

Hier ist ohne Tatsachenkenntnis, welche Vereinbarung in welchem Rahmen getroffen wurde, keine Prognose möglich, ob Dynamo Dresden, sollte das Argument gebracht werden, damit rechtlich letztlich durchgreifen wird. Bedenklich wird es freilich, wenn etwa eine Lizenzerteilung an den Abschluss der Schiedsvereinbarung geknüpft wurde. Besser sieht es aus, wurde die Schiedsvereinbarung separat abgeschlossen und der Verein jedenfalls die Möglichkeit hatte, beim Abschluss der Schiedsvereinbarung zu zögern und mit dem Vertragspartner zu verhandeln.

§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 b) ZPO – Verstoß gegen den ordre public –

Nach seiner Pressemitteilung und offenbar auch nach dem Vortrag im einstweiligen Verfügungsverfahren sieht Dynamo Dresden allerdings seinen Hauptangriffspunkt gegen den Schiedsspruch des Ständigen neutralen Schiedsgerichts in einem angeblichen Verstoß gegen den „ordre public“, die „öffentliche Ordnung“. Diesen sieht Dynamo Dresden darin, dass seine Bestrafung durch die DFB-Gerichte (und folglich die Bestätigung durch das Schiedsgericht) unter Missachtung des sog. „Schuldprinzips“ zu Stande gekommen ist.

Hierbei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im Aufhebungsverfahren eine sachliche Überprüfung des Schiedsspruches nicht stattfindet. Fehlerhafte Schiedssprüche werden von der Rechtsordnung hier genauso hingenommen, wie rechtskräftige Fehlurteile staatlicher Gerichte (Zöller-Geimer, § 1059, Rdnr. 47). Nur in extremen Ausnahmefällen, in denen die Hinnahme des Schiedsspruches unerträglich wäre, greift der ordre public ein (Zöller-Geimer, a.a.O.; Steiner, SchiedsVZ 20013, 15, 19).

Ein Schiedsspruch ist daher aufzuheben, wenn die Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, d.h. wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht; der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen (BGH, Urt. v. 05.02.2009, Az. III ZR 164/08, SchiedsVZ 2009, 66; Zöller-Geimer, § 1059, 57; Prütting/Gehrlein-Raeschke-Kessler, § 1059, Rdnr. 41).

Dieser Maßstab ist hoch. Fraglich ist, ob er bei dem Schiedsspruch in Sachen Dynamo bereits erfüllt ist.

Das Schuldprinzip, das hier betroffen ist, ist unzweifelhaft wesentlicher Bestandteil unserer Rechtsordnung im Straf- und im Zivilrecht und muss – nach überwiegender Auffassung – auch im zivilrechtlich-organisierten Verbandsstrafrecht gelten, falls es sich bei der verbandlichen Maßnahme um eine solche handelt, die alle Voraussetzungen für eine Straf- oder Sanktionsmaßnahme erfüllt. (An dieser Stelle wird in der Zukunft für eine trennscharfe Abgrenzung von einer präventiven Maßnahme der Gefahrenabwehr, die kein Verschulden voraussetzt, noch ein erhebliches Maß an rechtswissenschaftlicher Arbeit zu leisten sein.)

Handelt es bei dem Ausschluss von Dynamo Dresden aus dem DFB-Pokalwettbewerb um eine Strafe (wofür trotz etwaiger präventiver Gesichtspunkte, die aber natürlich nach unserem Rechtsverständnis stets auch Bestandteil von Strafe sind, einiges spricht), hätten die DFB-Gerichte beim Ausspruch dieser Strafe das Schuldprinzip beachten müssen. D.h. eine Bestrafung von Dynamo Dresden als Verein wäre nur dann zulässig gewesen, wenn ihm in zurechenbarer Weise ein Verschuldensvorwurf im Hinblick auf eine konkrete Pflichtverletzung hätte gemacht werden können. Beide DFB-Gerichte haben aber in ihren jeweiligen Urteilstatbeständen ausdrücklich festgestellt, dass ein Verschulden von Dynamo Dresden nicht vorlag.

Diese Feststellungen zu treffen, ist natürlich hoch gefährlich und hätte vielleicht vermieden werden können, um es nicht hinsichtlich der Wirksamkeit von § 9a RuVO/DFB zum Schwur kommen zu lassen: Lässt sich wirklich sagen, dass Dynamo Dresden im Hinblick auf seine Anhänger alles Erforderliche, Denk- und Zumutbare getan hat, um zukünftige Ausschreitungen zu vermeiden? Schuldet Dynamo Dresden gleichsam als „Zweckveranlasser“ (der von ihm unterhaltene und natürlich für sich genommene rechtmäßige Spielbetrieb mit seiner Profimannschaft „verursacht“ mittelbar eine offensichtlich extrem „gefährliche“ Fangruppierung) nicht auch zivilrechtlich eine besondere Sorge um hieraus resultierende Verkehrspflichten (die ihm zugerechnete Fangruppierung als „Gefahrenquelle“)? Wenn dem so ist, werden vorwerfbare Pflichtverstöße zu finden sein, weil trotz behaupteter respektabler Bemühungen auch Dynamo Dresden insoweit von einem Verein, der wirklich allen denkbaren Sorgfaltspflichten im Hinblick auf seine Fans nachkommt, eher entfernt sein könnte. Dann aber hätten die DFB-Gerichte – rechtlich ohne die jetzt auftretenden Probleme – aufgrund eigenen Verschuldens des Vereins bestrafen können. – Oder warum arbeitet man nicht, rechtlich wohl zulässig und im Schrifttum vorgeschlagen, nicht mit dem Anscheinsbeweis? Dann hätte Dynamo Dresden darlegen und beweisen müssen, dass tatsächlich alles Erdenkliche getan wurde, um erneute Fanausschreitungen zu verhindern, weil bei Fanausschreitungen durchaus der erste Anschein dafür streiten könnte, dass diese auf eine Verkehrspflichtverletzung desjenigen Vereins zurückzuführen sind, dem die Anhänger zugeordnet werden.

Kommt auch das Oberlandesgericht Frankfurt im angestrebten Aufhebungsverfahren dazu, dass es sich der Ausschluss von Dynamo Dresden aus dem DFB-Pokal um eine Strafe handelt, die unter Missachtung des Schuldprinzips ausgesprochen wurde, muss es sich als nächstes Fragen, ob dieses Ergebnis „mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar“ ist. Das allerdings scheint sich zunächst aufzudrängen. Das Schuldprinzip ist verletzt, wenn es hier uneingeschränkt gilt: Nach den Feststellungen war Dynamo Dresden frei von Verschulden. Gilt es grundrechtsgleich, kommt man trotzdem mit praktischer Konkordanz auf dem Rechtfertigungsweg nicht recht weiter: Zwar kann die Verbandsautonomie des DFB dem konkurrierenden Grundrecht nach diesem Prinzip entgegengehalten werden und mit dem Schuldprinzip in Ausgleich gebracht werden. Lässt man aber Strafe ohne Verschulden zu, würde das Schuldprinzip in seinem Kernbereich verdrängt. Und das kann bekanntlich nicht Ergebnis praktischer Konkordanz sein. Zu beachten ist aber, dass dieser verfassungsrechtliche Grundsatz im Zivilrecht trotz der strukturellen Gleichheit zum staatlichen Strafverfahren nur mittelbar gilt. Denn man wird nicht ernsthaft bestreiten können, dass das rechtliche Verhältnis zwischen dem DFB und Dynamo Dresden ein zivilrechtliches ist.

„Die Zivilgerichte müssen sich deshalb nicht auf eine Rasterfahndung nach Grundrechtsschwächen im schiedsgerichtlichen Spruch begeben. Da in der Regel die sog. Ausstrahlungswirkung der Grundrechte in das Privatrecht in das Gebot der Abwägung zweier miteinander kollidierender Grundrechte mündet, eröffnet auch dies Spielräume für die Sachentscheidung des Schiedsgerichts. Dieses ist grundsätzlich originär und abschließend zu einer Abwägung berufen. Dem staatlichen Gericht steht in der Regel nur eine Prüfung zu, ob das Abwägungsergebnis im grundrechtsdurchfluteten Räumen unserer Rechtsordnung unerträglich ist.“ (Steiner, Das Verhältnis von Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit, SchiedsVZ 2013, 15, 19.)

Ob das vom Schiedsgericht gefundene Abwägungsergebnis in diesem Sinne unerträglich ist, ist eine normative Frage, welche das OLG Frankfurt anhand der dargestellten Kriterien zu entscheiden hat. Hierbei wird es auch zu berücksichtigen haben, dass das Schuldprinzip nicht allein aufgrund mittelbarer Drittwirkung durch die zivilrechtlichen Generalklauseln im Zivilrecht Geltung beansprucht. Vielmehr besteht dieser Geltungsanspruch darüber hinaus, weil erstens das Verschuldensprinzip als Grundlage zivilrechtlicher Haftung i.S. einer Zurechnung von Verantwortlichkeit ohne Weiteres auch als zivilrechtliches Prinzip dieses Rechtsgebiet beherrscht, zweitens es Geschäftsgrundlage geworden ist, weil sich allen Parteien dieses Tätigwerden der DFB-Gerichte seit Jahrzehnten und aus einem überzeugten Selbstverständnis als strafrechtsähnlich darstellt und eine strukturelle Vergleichbarkeit in der Verfahrenssituation besteht, und drittens die vom DFB ausgesprochene „Strafe“ alle rechtsphilosophischen Anforderungen an eine Strafe erfüllt, weswegen das Schuldprinzip als rechtlicher Mindeststandard Anwendung finden muss.

Mir scheint das Ergebnis offen – mit einer leichten Tendenz zu Gunsten des DFB und zu Lasten von Dynamo Dresden, aufgrund des durch das Schiedsgerichtsverfahrens veränderten und vorbeschriebenen Prüfungsspielraums der ordentlichen Gerichtsbarkeit hinsichtlich des Schiedsspruchs nämlich. (Bei einer schulmäßigen Prüfung der DFB-Urteile durch ein ordentliches Zivilgericht im Wege der Feststellungsklage auf deren Unwirksamkeit, falls es also eine entsprechende Schiedsvereinbarung nicht gäbe, würde ich diese Tendenz deutlich günstiger für Dynamo Dresden beurteilen – auch unter Berücksichtigung einer entsprechenden Einschätzungsprärogative auf Seiten des DFB.) Wählt man diesen Ansatz und minimiert den Prüfungsspielraum der ordentlichen Gerichtsbarkeit hier noch weiter, schiene sich aus Sicht des DFB der Abschluss von Schiedsvereinbarungen auszuzahlen. Ebenso gut vertretbar erscheint es mir aber auch, unter Zurückstellung dieser etwas formal-juristischen Betrachtungsweise konsequent zu sein: Wer ohne Verschulden straft, verletzt das Schuldprinzip im Range eines Verfassungssatzes. Das ist wesentlicher Bestandteil unserer Rechtsordnung. Wird ein solcher durch einen Schiedsspruch verletzt, dann ist das unerträglich.

Die dazu berufenen Gerichte werden entscheiden.

Rechtsfolgen eines Aufhebungsbeschlusses

Sieht das Oberlandesgericht Frankfurt einen der vorbeschriebenen Aufhebungsgründe (evtl. nach Beweisaufnahme) für gegeben an, tenoriert es im Beschluss: „Der Schiedsspruch des Ständigen neutralen Schiedsgerichts für die Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen vom 14.05.2013 wird aufgehoben.“ Mit Eintritt der formellen Rechtskraft des Beschlusses (nach Ablauf der Frist für die Einlegung der Rechtbeschwerde von einem Monat nach Zustellung gemäß § 575 Abs.1 ZPO oder nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Rechtsbeschwerde) werden die Wirkungen des Schiedsspruchs rückwirkend beseitigt (Zöller-Geimer, § 1059, Rdnr. 86). Da nur der Schiedsspruch beseitigt wird, bleibt es dabei zunächst wiederum bei der Bindungswirkung der angegriffenen Urteile des DFB-Sportgerichts und des DFB-Bundesgerichts.

Unwirksame Schiedsklausel

Stellt das Oberlandsgericht Frankfurt fest, dass die Schiedsvereinbarung mangels Freiwilligkeit unwirksam ist, fehlt es an einer wirksamen Schiedsabrede i.S.v. § 1029 ZPO. Damit fehlte dem Schiedsgericht die Entscheidungszuständigkeit. Wurde der Schiedsspruch deswegen aufgehoben, kommen naturgemäß ein Anwendung von § 1059 Abs. 5 (und auch natürlich Abs. 4) ZPO nicht in Betracht. Vielmehr ist dann der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten wieder offen (Zöller-Geimer, § 1059, Rdnr. 90). Um die Wirksamkeit der DFB-Urteile zu beseitigen, müsste Dynamo Dresden dann vor dem sachlich und örtlich zuständigen Landgericht Frankfurt Klage auf Feststellung erheben, dass die DFB-Urteile unwirksam sind.

Ordre-public-Verstoß

Stellt das Oberlandesgericht Frankfurt einen ordre-public-Verstoß fest und hebt den Schiedsspruch auf, ist – wie oben beschrieben – davon auszugehen, dass das Oberlandesgericht Frankfurt neben der Aufhebung des Schiedsspruchs das Schiedsverfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Schiedsgericht zurückverweist, § 1059 Abs. 4 ZPO. Das Ständige neutrale Schiedsgericht hätte dann über die Sache erneut zu entscheiden.

Erfolg des Antragsgegners

Obsiegt im Aufhebungsverfahren der DFB, d.h. der Senat ist der Überzeugung, dass keiner der skizzierten Aufhebungsgründe gegeben ist, tenoriert er: „Der Aufhebungsantrag des Antragstellers vom … gegen den Schiedsspruch des […] vom 14.05.2013 wird zurückgewiesen.“ Der Schiedsspruch und damit die angegriffenen Entscheidungen der DFB-Gerichte bleiben dann endgültig wirksam und verbindlich.

Rechtsmittel gegen die Aufhebungsentscheidung

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt ist gemäß §§ 1065 Abs. 1, 1062 Abs. 1 Nr. 4, 1059 ZPO mit der Rechtsbeschwerde angreifbar. Die Rechtsbeschwerde ist binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses einzulegen (§ 575 Abs.1 ZPO). Über sie entscheidet der Bundesgerichtshof letztinstanzlich.

Gegen die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist kein Rechtsmittel statthaft. Der unterlegenen Partei bliebe es unbenommen, gegen die Entscheidung des Bundesgerichtshofs den außerordentlichen Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde einzulegen. In der geeigneten Konstellation erschiene dies zur Klärung der Reichweite der Verbandsautonomie i.S.d. Art. 9 Abs. 1 GG sogar wünschenswert.

Ergebnis: Wie geht es also weiter mit Dynamo Dresden?

  • Greift Dynamo Dresden entgegen seiner Ankündigung den Schiedsspruch des Ständigen neutralen Schiedsgericht nicht an, bleibt es bei den rechtskräftigen Entscheidungen des DFB-Sport und -Bundesgerichts. Dynamo Dresden bleibt aus dem DFB-Pokal ausgeschlossen.
  • Greift Dynamo Dresden den Schiedsspruch vor dem OLG Frankfurt rechtskräftig erfolglos an, gilt das gerade Gesagte.
  • Greift Dynamo Dresden den Schiedsspruch vor dem OLG Frankfurt rechtskräftig erfolgreich an, kommt es darauf an:
    • Stellen die befassten Gerichte fest, dass es bei der Schiedsvereinbarung an der Freiwilligkeit fehlt, ist die Schiedsvereinbarung unwirksam. Dies hat die Aufhebung des Schiedsspruchs des Ständigen neutralen Schiedsgerichts zur Folge, läßt aber die Entscheidungen der DFB-Gerichte unberührt bestehen. Gegen diese hätte Dynamo Dresden vor den ordentlichen Gerichten auf Feststellung der Unwirksamkeit zu klagen.
    • Stellen die befassten Gerichte fest, dass die Entscheidung des Ständigen neutralen Schiedsgerichts gegen den ordre public verstößt, führt dies zur Aufhebung des Schiedsspruchs durch den Senat. Dann hätte das Ständige neutrale Schiedsgericht erneut zu entscheiden.

Eine nachträgliche Zulassung zum DFB-Pokal dürfte aus tatsächlichen und aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommen. Angesichts des zur Verfügung stehenden Instanzenzugs (Antragsverfahren vor dem Oberlandesgericht mit zwingender mündlicher Verhandlung, Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof) ist mit einem endgültigen Verfahrensabschluss nicht vor einem Jahr zu rechnen. Dieser mag, im unterstellten Obsiegensfall, Dynamo Dresden zwar keine Teilnahme am DFB-Pokalwettbewerb 2013/2014 mehr einbringen, wird aber möglicherweise die Frage der Zulässigkeit der verschuldensunabhängigen Haftung im Verbandsrecht endgültig klären. Hierfür hat Dynamo Dresden, wie oben dargelegt, auch das notwendige Rechtsschutzinteresse.

Fazit: Aus rechtlicher Sicht erscheint das angestrebte Verfahren von Dynamo Dresden nicht chancenlos zu sein. Allerdings, um im sportlichen Bild zu bleiben: Die Latte liegt ziemlich hoch. Wir dürfen gespannt sein, wie sich das Oberlandesgericht Frankfurt und der Bundesgerichtshof positionieren. Bereits heute steht fest, dass die Entscheidungen weitreichende Konsequenzen haben könnten.

KORREKTUR: Ich habe die „Sportgemeinschaft“ Dynamo Dresden in diesem Beitrag versehentlich zu einer „Spielgemeinschaft“ gemacht und dies heute (22.10.2013) korrigiert. Ich bitte um Entschuldigung.

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