Anwaltstag 2013 – Kurzstatement zur „strict liability“

DC2012 482

Rote Karte für Fanausschreitungen! Wie geht das in rechtlicher unangreifbarer Weise?

In der Podiumsdiskussion auf dem Deutschen Anwaltstag 2013 zum Thema Fanausschreitungen – rechtliche Bewertungen und Konsequenzen werde ich im Wesentlichen die nachfolgende Position vertreten, welche hier selbstverständlich nur als sehr verkürzte Vorabinformation dargestellt werden kann. Die rechtlichen Ansatzpunkte sind vielfältig und im Detail schwierig.

Kurzstatement

Die grundrechtlich geschützte Verbandsautonomie nach Art. 9 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährt den Sportverbänden ein umfassendes Recht zur Selbstorganisation und -regulation. Dieses Grundrecht ist jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Unter anderem sind konkurrierende Grundrechtspositionen zu beachten, wie etwa das ebenfalls nach dem Grundgesetz für Strafen vorausgesetzte Schuldprinzip. Soweit Sportverbände echte Strafen verhängen, sind sie im Rahmen ihrer Autonomie wegen des geltenden Schuldprinzips daran gehindert, in ihrem selbst gesetzten Recht vorzusehen, dass Vereine für das (schuldhafte) Verhalten ihrer Anhänger ohne Rücksicht auf eigenes Verschulden haften, soweit dieses Verhalten nicht aufgrund bestehender gesetzlicher Bestimmungen zugerechnet werden kann. An dieser Rechtslage hat sich auch nach der Entscheidung des Ständigen neutralen Schiedsgerichts für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen in Sachen Dynamo Dresden nichts geändert, weil – soweit bislang ersichtlich – dieses eine derartige Haftung nur für solche Fälle goutiert hat, in denen bei der in Rede stehenden Maßnahme der präventive Charakter überwiegt oder dominiert. Zukunftsherausforderung für die Rechtswissenschaft ist es, die trennscharfen Abgrenzungskriterien zwischen präventiven und repressiven Maßnahmen – also zwischen Gefahrenabwehr und Strafe – im Sport genau zu definieren.

Zu Recht? Dynamo Dresden unterliegt vor Schiedsgericht

Der überraschende Gang von Dynamo Dresden vor das Ständige neutrale Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen endete heute mit einem weniger überraschenden Ergebnis. Das hochkarätig besetzte Gericht unter dem Vorsitz von Richter am BVerfG a.D. Prof. Dr. Udo Steiner hat die vorangehenden Urteile des DFB-Sportgerichts und des DFB-Bundesgerichts insgesamt für rechtmäßig und damit jedenfalls teilweise den umstrittenen § 9a der RuVO/DFB für wirksam befunden. Dies hat der DFB heute in einer Pressemitteilung erklärt.

Allerdings ist die „weitreichende grundsätzliche Bedeutung“, die der ebenfalls hoch geschätzte DFB-Vizepräsident RiOLG Dr. Rainer Koch aus dem Richterspruch liest, ohne Vorliegen der schriftlichen Begründung der Entscheidung offensichtlich nicht ohne Weiteres zu entnehmen. Ausweislich der in der Pressemitteilung zitierten Aussage vom Vorsitzenden Prof. Dr. Steiner hat das Ständige neutrale Schiedsgericht gerade nicht „endgültig über seit Jahren streitige Rechtsfragen“ entschieden und „[…] konkret die verschuldensunabhängige Haftung gemäß § 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB“ (so Koch) für rechtmäßig erklärt. Denn Steiner führte – zitiert nach der DFB-Pressemitteilung – aus: „Die Vorschrift […], der das schuldhafte Verhalten der Anhänger dem jeweiligen Verein zurechnet, ist rechtlich nicht zu beanstanden, soweit die Vorschrift Grundlage für Maßnahmen des Verbandes ist, bei denen der präventive Charakter überwiegt oder dominiert. Der Ausschluss von Dynamo Dresden ist eine solche Maßnahme, bei der die Vorbeugung von Störungen des Spielbetriebs ganz im Vordergrund steht.“

Damit steht, jedenfalls auf Basis der Pressemitteilung, fest, dass das Ständige neutrale Schiedsgericht die verschuldensunabhängige Haftung nur dann als rechtmäßig ansieht, wenn sie Basis für präventive Maßnahmen wird, und nicht zur Begründung repressiver Mittel, also Strafen und Sanktionen, herangezogen wird.

Damit bleibt die Diskussion über den Kern der angesprochenen Rechtsfrage (Zulässigkeit von Strafe nach verschuldensunabhängiger Zurechnung fremden Verschuldens) in Wirklichkeit auch nach dieser Entscheidung offen und spannend. Die schriftliche Urteilsbegründung bleibt in jedem Fall abzuwarten; sie dürfte von den Sportrechtlern in Deutschland mit großer Neugier erwartet werden. Das bereits angekündigte Streitgespräch am 07.06.2013 auf dem Deutschen Anwaltstag in Düsseldorf ist also um einen weiteren spannenden Gesichtspunkt reicher.

 

Bericht von Dr. Jan F. Orth zum FVM-Verbandstag 2013

Medien, Kommunikation und Marketing: Professionelle Außendarstellungbbfinalegespiegelt

Aus meinem Aufgabenbereich, der neben der Aufgabenzuweisung qua Amt auch den Bereich der IT-Angelegenheiten kraft Auftrags umfasst, kann ich zum Verbandstag einen erfreulichen Bericht vorlegen.

Medien und Kommunikation

Die Begleitung aller Arbeitsbereiche, Gremien und Projekte in Fragen der medialen Wirkung und der Kommunikation ist die Kernaufgabe des Aufgabenbereichs. Hier ist es uns gelungen, das seit Jahren hohe Leistungs- und Serviceniveau aufrechtzuerhalten und auszubauen. So wurde nicht nur erreicht, die Außenwirkung und Wahrnehmung des Verbandes in den externen Medien weiter zu erhöhen und im Sinne des Verbandes zu gestalten, sondern auch die Darstellung in den Eigenmedien wie unserem Verbands-Magazin EINSZUEINS noch weiter zu optimieren. Die elektronische Informationsverbreitung, insbesondere über die Internetauftritte des FVM und der Sportschule Hennef, den FVM-Newsletter oder über die sozialen Netzwerke, nimmt naturgemäß einen immer breiteren Raum ein. Die ständig steigenden Zugriffszahlen sprechen für sich. Insbesondere die Kommunikation über die sozialen Netzwerke – hier haben wir uns für den FVM und die Sportschule Hennef für einen Auftritt bei Facebook entschieden – gibt uns die gute Möglichkeit, verschiedene Zielgruppen noch wirkungsvoller anzusprechen und mit ihnen in den Austausch zu treten. Dass dieses Angebot gut angenommen wird, zeigt die Anzahl der „Fans“: Den FVM-Auftritt verfolgen über 4.200 Personen – der zweitstärkste Wert unter den Landesverbänden hinter den Bayern –, den der Sportschule knapp 1.800. Zukunftsaufgabe wird sein, das Kommunikationsverhalten des Verbandes in diesem schnelllebigen Medium weiter auf die aktuellen Ansprüche auszurichten.

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New Article: Explaining the Cologne Circumcision Decision

These are the first lines and the table of contents of my newest article „Explaining the Cologne Circumcision Decision“. It has been accepted for publication in the Journal of Criminal Law and will be printed in an immanent issue shortly.

Jan F. Orth*
Keywords: Religiously motivated circumcision; Circumcision as criminal assault; Consent to medical operation of minors; Parental rights; German criminal law

The decision of the Cologne Regional Court[1] (Landgericht Köln)[2] on religiously motivated circumcisions allegedly banned those circumcisions in Germany – or at least a part of Germany. The opinion of the court was discussed worldwide and was continually misconstrued as a broader signal emanating from Germany that reflects potential discrimination and ignorance of important religious groups and their needs. The author was the spokesperson of the court for this case, a judge himself at the Cologne Regional Court at the time. He explains the legal and factual background as well as the reaction of the German legislator to the decision. He clearly rejects the notion that this decision is discriminatory in nature. On the contrary, it shows a remarkably liberal approach, although references from its holding may indeed limit religious communities in practicing circumcisions.

For the English reader this article provides an illustrative presentation of the fundamental differences between the Civil and Common Law legal systems, an introduction to the German criminal law and therefore a distinction from “Gillick”[3], the leading case in the UK regarding consent and its necessity for medical actions on minors. In the case, the House of Lords held that minors can in some circumstances validly consent to medical treatment without additional consent from their parents and that “parental rights” are not an obstacle to this as they exist only in a sense to be a safeguard to the best interests of a minor. This article shows that there is a tension between this and the current German approach. Obviously, the German understanding of “parental rights” goes distinctly further. […]

Read more… in an immanent issue of the Journal of Criminal Law

Table of contents:
1. Initial Remarks
– Judges and Spokespersons.
– The Reputation of Germany in the International Community.
2. Should judges decide critical and complex socio-political questions?
3. The case history of the circumcision decision
4. The decision
– Proceedings.
– The law on medical operations.
– Contents of the opinion.
5. Binding effect and legal as well as practical consequences of the decision
6. Reactions to the court
7. Reaction of the German legislator
8. Reception in the German population
9. Outlook

 


* The author is a Judge and worked at the Cologne Regional Court at the time the Court rendered the circumcision decision. He was the Spokesperson of the court on duty for this particular case. Currently, he is seconded to the Ministry of Justice of North Rhine Westphalia. Moreover he is an Adjunct Professor at the University of Cologne. […] The views expressed in this article are the personal ones of the author only. They do not necessarily correspond with the views of the Judge concerned, the Cologne Regional Court, its Chief Justice (President) or the Justice of the State of North Rhine Westphalia. The author wishes to thank Mr Jeremy DeWaal, Nashville, for proofreading the text.

[1] Regional Courts (Landgerichte) in Germany have chambers for criminal and civil law cases, both as court of first instance and as court of appeals. In this case, the chamber acted as a court of appeals. “Landgerichte”, often translated also as “District Courts”, are intermediate courts, which have superior courts above them and lower courts below them. However, in order to distinguish them from the “District Courts” in terms of the US-American legal systems, it should be noted that German Regional Courts are state courts (not federal courts), which nevertheless apply and enforce federal German law, like the German Criminal Code (StGB) or the German Civil Code (BGB) for instance.

[2] The Cologne Regional Court is one of the largest Regional Courts in Germany. It has jurisdiction over more than two million residents in its district and about 150 permanently employed full-time judges.

[3] Gillick v West Norfolk and Wisbech Area Health Authority [1985] 3 All ER 402.

 

Picture reference: Picture taken from http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ACovenant_of_Abraham.JPG. Attribution: By Cheskel Dovid (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-3.0 http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/, via Wikimedia Commons