Putins Krieg und der Beitrag des Sports

Russland führt in Europa einen unmenschlichen, schrecklichen und verachtenswerten Angriffskrieg gegen die Ukraine, der Leben kostet, unfassbares Leid über die Menschen bringt und sinnlose Zerstörung verursacht. Nach nur kurzem Zögern in einigen Bereichen haben große Teile der Weltgemeinschaft beschlossen, das Verhalten Russlands umfassend zu sanktionieren und das Land international zu ächten. Die Ankläger am ICC ermitteln. Was diese Reaktionen angeht: So weit, so gut.

Im Sport wirft dies schwierige sportpolitische und rechtliche Fragen auf, mit denen offensichtlich nicht alle Beteiligten, auch nicht alle Verbände und ihre Funktionäre, hinreichend sensibel und vernünftig umgehen können. Welchen Beitrag hat der Sport geleistet, dass es so weit kommen konnte? Welchen Beitrag kann der Sport leisten, um den Krieg zu beenden und sicherzustellen, dass es Frieden in Europa gibt und dann bleibt?

Die Bilanz auf Frage eins fällt nicht wirklich gut aus: Natürlich haben die großen Sportvereinigungen, etwa das IOC und die FIFA, durch die Vergabe und die Veranstaltung von Wettbewerben in Russland in z. T. liebevoller Zusammenarbeit mit dem dort herrschenden Autokraten einen beachtlichen Beitrag zum überbordenden Selbstbewusstsein des Aggressors geleistet. Dieses Selbstbewusstsein und die zugelassene, widerspruchslose Selbstinszenierung auch auf der sportpolitischen Weltbühne sind der Nährboden, auf dem krude, wahnhaft-revisionistische Theorien geboren werden, die dem lupenreinen Diktator die rechtfertigende Grundlage liefern sollte, die Ukraine zu überfallen. Führende Funktionäre haben Anlass, sich in Grund und Boden zu schämen.

Das geht mit Frage zwei so weiter: Menschenverachtenden und die Regeln des Völker- und Menschenrechts nicht respektierenden Regimen muss der Sport – im Sinne der Teilhabe an sportlichen Großveranstaltungen mit ihrer Strahlkraft – zweitweise entzogen werden. Jetzt sofort und jedenfalls so lange, bis sich die politische Situation spürbar und nachhaltig verbessert hat. Wer sich an die grundlegendsten Regeln eines friedlichen Zusammenlebens nicht hält, darf eben nicht mitspielen. Das sollte unser Konsens sein, ist er es nicht, muss er es werden. Sicherlich: Das wird auch einzelne Sportler oder Mannschaften treffen, die – in der Tat – trainiert, gekämpft und geschwitzt haben, um an Wettbewerben teilzunehmen. Und die genau dies dann nicht mehr können und dürfen. Das ist bedauerlich, aber nicht zu ändern, weil es notwendig ist. Denn nur so wird in Russland in allen Bereichen der zivilgesellschaftliche Druck entstehen, um eine Änderung in der Regierung, der Führung, der Staatsordnung herbeizuführen. Der wichtige Gesellschaftsteil des Sports darf sich nicht aussparen. Die Staatsangehörigkeit ist zwar nicht per se vorwerfbar, aber sie verleiht demjenigen, der sie hat, zumindest die Möglichkeit und Berechtigung, Änderungen anzustoßen. Das ist, touché, in den Staaten, in denen es notwendig ist, häufig auch gefährlich. Aber wir wissen aus der Geschichte, dass dies der einzige Weg ist. Diesen schwierigen Spagat werden wir Athletinnen und Athleten nicht allein und nicht dauerhaft abverlangen können. Langfristig bedarf es einer verbandlichen Neuorientierung im Umgang mit solchen Regimen und ihren Sportlern, weil nun feststeht: Der Sport ist nicht unpolitisch. Für die Sporttreibenden ist eine andere Einbindung nötig, in der sie Sport treiben und nicht instrumentalisiert werden können.

Danach ist die – ursprüngliche, rasch mit irritierender Begründung korrigierte – Entscheidung des IPC, russische Athleten an den Paralympischen Spielen „neutral“ teilnehmen zu lassen, nichts anderes als ein Witz! Wer es als internationale Sportorganisation außerdem nicht schafft, den Krieg in seiner Pressemitteilung als solchen zu benennen, hat seinen Anspruch verwirkt, als Organisation und Ansprechpartner auch nur annähernd ernst genommen zu werden. Das gilt auch für jeden, der juristische Feigenblätter nutzt, um Ausschlüsse von russischen Verbänden, Mannschaften, Sportlern oder Gesellschaftern aus Wettbewerben und Ligen nicht aussprechen zu müssen, weil es angeblich „an der entsprechenden Grundlage“ fehle. Abgesehen davon, dass viele Verbandssatzungen Generalklauseln enthalten dürften, wissen schon die juristischen Erstsemester, dass man – auch ohne schriftliche Regelung – an Einigungen nicht festgehalten werden kann, wenn das für eine Seite unerträglich ist und damit die Geschäftsgrundlage entfällt. Das ist in Dauerschuldverhältnissen so; entsprechende Rechtsinstitute gibt es jeder Rechtsordnung. Dass die Rechtsfragen im Einzelnen schwierig sind, ist klar. Aber wie so häufig bereitet hier der Wille den juristischen Weg.

Russland hat sich neben der politisch-gesellschaftlichen auch die sportliche Ächtung mehr als verdient. Nur durch klare und unmissverständliche Reaktionen wird der organisierte internationale Sport dem eigenen Anspruch gerecht werden können, für Völkerverständigung und Weltfrieden sorgen zu wollen. Den bisherigen Opfern und dem malträtierten ukrainischen Volk bringt das alles nichts mehr. Was für ein Preis! In unseren Gedanken sind wir bei den Menschen in der Ukraine.


Erschienen als Editorial des SpuRt-Heftes 2/2020, SpuRt 2022, 69 und auf beck-online

Warum der BGH den Fall SV Wilhelmshaven falsch entschieden hat…

…findet sich im aktuellen Heft der im Beck-Verlag herausgegebenen Fachzeitschrift „Sport und Recht“. Das Heft 1/2017 erscheint Ende Januar und enthält meinen Besprechungsaufsatz mit dem Titel „Die Fußballwelt nach Wilhelmshaven ­­– Zugleich eine Besprechung von BGH, Urt. v. 20.09.2016, Az. II ZR 25/15“. Der Beitrag beginnt mit folgender Einleitung:

Viel Bedeutung war der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Sache SV Wilhelmshaven e.V. gegen den Norddeutschen Fußball-Verband e.V. von allen Seiten zugemessen worden. Der Beitrag befasst sich mit der Frage, ob nach einer Analyse der Urteilsgründe die Auswirkungen der Entscheidung auf den organisierten Fußball im Besonderen und den organisierten Sport im Allgemeinen so groß sind, wie in Aussicht gestellt worden ist.

Die nachfolgende Entscheidungsbesprechung folgt dann dieser Gliederung:

 

I. Sachverhalt, Parteien, Mitgliedschaftsverhältnisse
II. Inhalt und Bedeutung der Entscheidung
1. Tenoränderung
2. Verbandsgericht/Schiedsgericht
3. Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO
4. Umsetzung der Entscheidung eines internationalen Verbands
5. Feststellungsinteresse
6. Entgegenstehende Entscheidungen des CAS
7. Begründetheit
a) Fehlende Regelung in der Satzung
b) Fehlende anderweitige Unterwerfung unter die FIFA-Regeln
c) Nichterörterung von außerordentlicher Kündigung und Ausschluss
III. Einordnung und Ausblick

Hierbei wird vertieft auf verschiedene Rechtsprobleme der Entscheidung eingegangen. Aufgrund der rechtlichen Analyse der Entscheidung komme ich zum Abschluss zu folgendem Ergebnis, das eine Ablehnung der seitens des BGH getroffenen Entscheidung beinhaltet:

Die häufig sehr unbefriedigend begründete und durchgängig mit ihren Wertungen wenig überzeugende Entscheidung des Senats entscheidet einen Einzelfall und wirft mehr Fragen auf als Unklarheiten beseitigt werden. Viele Probleme um die Umsetzbarkeit von Entscheidungen internationaler Verbände sind nach wie vor offen. Der Senat hat bedauerlicherweise eine gute Chance verstreichen lassen, hier für dogmatische wie rechtspraktische Klarheit zu sorgen. Wegen der z.T. gravierenden und hier aufgezeigten Argumentationsmängel kann die Entscheidung der Rechtswissenschaft und der verbandlichen Praxis sicherlich noch keine klaren und belastbaren Anhaltspunkte geben. Hier ist weitere Aufklärung durch die Wissenschaft und dann auch erneut durch die Rechtsprechung notwendig und wünschenswert.

Mit der Konkretisierungsmöglichkeit durch Regelanerkennungsvertrag neben der Satzungsermächtigung ist den Sportverbänden in Deutschland allerdings ein Mittel an die Hand gegeben worden, durch eindeutige Formulierungen in den Lizenz-, Ligenzulassungs- und sonstigen Regelerstreckungsverträgen mit überschaubarem Arbeitsaufwand das erstrebte Ziel zu erreichen. Um den Anforderungen der durch die Wilhelmshaven-Entscheidung konkretisierte Rechtsprechung des BGH gerecht zu werden, dürfte es erforderlich sein, die zu inkorporierende Regelungsbereiche der übergeordneten Verbände namentlich eindeutig und klar zu bezeichnen. Dies kann sogar im Wege der dynamischen Verweisung geschehen.

Alle Argumente sind im Einzelnen in Kürze in der SpuRt nachzulesen. Über Feedback zu meiner Rechtsauffassung und zum Besprechungsaufsatz freue ich mich.

 

SV Wilhelmshaven – Die vorläufigen FAQ

faq-icon

Was bedeutetet die Entscheidung des Bundesgerichts für den SV Wilhelmshaven? Diese und die nachfolgenden Fragen zur BGH-Entscheidung in der Sache SV Wilhelmshaven sind mir in den letzten Tagen von verschiedener Seite gestellt worden. Ich halte die aufgeworfenen Fragen für ebenso spannend wie die Fragesteller. Daher mache ich sie gerne einem breiteren Publikum zugänglich, verbunden mit dem Bemühen um notwendigerweise vorläufige Antworten. Die bescheidenen Antwortversuche beruhen auf meiner Interpretation der Pressemitteilung und meiner Erinnerung an die mündliche Verhandlung. Sie bleiben daher vorläufig und natürlich meine persönliche und private Einschätzung. Sie sind wegen des breiteren Adressatenkreises eher unjuristisch (soweit möglich) und allgemein verständlich gehalten. (So hoffe ich es jedenfalls.) Eine verbindliche Analyse kann nur aufgrund der (noch nicht vorliegenden) schriftlichen Urteilsgründe erfolgen.

 

Habe ich es richtig verstanden, dass der Bundesgerichtshof zur Rechtmäßigkeit der Ausbildungsentschädigung überhaupt nichts gesagt hat?

Richtig. Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage, ob diese Ausbildungsentschädigung überhaupt im Einklang mit Art. 45 AEUV und damit rechtmäßig festgesetzt worden ist, nicht auseinandergesetzt. Das brauchte er auch nicht, weil er bereits vereins- und verbandsrechtlich zu der Erkenntnis gekommen ist, dass keine wirksame Unterwerfung des SV Wilhelmshaven unter die Strafgewalt der FIFA vorliege und auch in der Satzung des Norddeutschen Fußballverbandes (NFV), der – nach Auffassung des BGH – diese Sanktion letztlich ausgesprochen habe, eine entsprechende Ermächtigung nicht vorhanden sei.

 

Stimmt es, dass die streitige Ausbildungsentschädigung bislang nicht bezahlt ist?

Meines Wissens nach ist die Summe nach wie vor offen.

 

Droht dem organisierten Fußball, also dem DFB, jetzt Ungemach?

Es droht in der Tat Ärger zwischen der der FIFA und dem DFB. Der DFB ist als Mitglied der FIFA verpflichtet, die Entscheidung der FIFA theoretisch bis nach unten an seine Basis (vulgo: in die Kreisliga), aber eben auch in der Regionalliga (wie seinerzeit beim SV Wilhelmshaven) umzusetzen. Wenn der DFB dies in Zukunft durchgängig – etwa aufgrund rechtlicher Bewertungen im Urteil, das uns in schriftlicher Form noch nicht vorliegt – nicht mehr tun kann, dann würde der DFB gegenüber der FIFA seine Pflichten als FIFA-Mitglied verletzten. Deswegen kann er seitens der FIFA natürlich in Anspruch genommen, sprich bestraft werden. Diese Bestrafung kann ganz unterschiedlich erfolgen. Auch in diesen Bereichen wird man natürlich zunächst mit förmlichen Rügen, Vorhalten und Geldstrafen arbeiten. Aber es liegt auf der Hand, dass etwa auch Mannschaften des DFB von internationalen Turnieren ausgeschlossen werden können. Hier wäre es ein fußballerisches Horrorszenario, wenn der amtierende Weltmeister, unsere A-Nationalmannschaft, nicht an den nächsten Weltmeisterschaften teilnehmen könnte. Das halte ich allerdings eher für eine theoretische Möglichkeit. Vorher wird man sicherlich deeskalierend eingreifen.

Außerdem muss man die Frage stellen: Kann die FIFA dem DFB überhaupt einen Vorwurf machen, wenn er seine Pflichten wegen rechtlicher Unmöglichkeit aus der BGH-Entscheidung plötzlich nicht mehr umsetzen kann? Ich meine: Jedenfalls nicht in einer Form, die zu einer Strafe führen kann. Allerdings wird im Verbandsrecht ein eigenes Verschulden des Angeschuldigten für eine spätere Bestrafung nicht immer zwingend vorausgesetzt (Stichwort: „strict liability“, „verschuldensunabhängige Haftung“). Hier erscheint mir das Ergebnis offen, zumal diese FIFA-Entscheidung nur vom CAS (und nicht von einem ordentlichen Gericht) kontrolliert werden würde, der die verschuldensunabhängige Haftung, die in der deutschen Jurisprudenz überwiegend abgelehnt wird, mehrfach bestätigt hat.

 

Kann der DFB seinen Vereinen denn nicht vorschreiben, dass man u.a. der FIFA „zu gehorchen“ hat, also dass ihre Regeln und Entscheidungen für alle gelten?

Das kann der DFB seinen Landesverbänden und über die Landesverbände den Vereinen (und Clubs der Profiligen) selbstverständlich vorschreiben. Das hat man bislang u.a. über die sog. „dynamischen Verweisungen“ versucht. Das ist eine rechtliche Gestaltungsmöglichkeit, welcher der BGH jetzt möglicherweise eine Absage erteilt hat. Um dies zu beurteilen, ist es allerdings noch sehr früh. Dafür sind die die schriftlichen Urteilsgründe zwingend erforderlich.

Es gibt andere rechtliche Konstruktionsmöglichkeiten, die aber zum Teil sehr arbeitsaufwändig sind. Eine davon würde z.B. bedeuten: Immer wenn der DFB seine Satzung und Ordnungen ändert, weil sich bei der FIFA irgendwas geändert hat, müssten alle seiner rund 25.000 Fußballvereine in Deutschland ebenfalls ihre Satzung ändern oder ihre Ordnungen anpassen. Dieser Verwaltungsaufwand ist unverhältnismäßig, nicht leistbar und kann natürlich nicht im Sinne des Erfinders sein.

Es wird nicht problematisch sein, die professionellen und semiprofessionellen Ligen (etwa hinunter bis zur Regionalliga, evtl. auch noch bis in die Oberliga) den Entscheidungen und Satzungen auch der internationalen Verbände FIFA und UEFA zu unterwerfen. Hierzu besteht ja überhaupt nur ein Bedürfnis, wenn die Vereine/Clubs internationale Berührungspunkte haben, etwa durch internationalen Spielbetrieb oder internationale Spielerwechsel. Wenn man eine Unterwerfung unter internationale Regeln und Entscheidungen in den Spielklassenzulassungsverträgen haben möchte, wird man diese nunmehr ganz ausdrücklich aufnehmen müssen. Das ist relativ einfach, das verursacht nicht viel Arbeit. Es ist vor allem rechtlich auch unproblematisch: In Regelanerkennungsverträgen sind dynamische Verweisungen seit der Reitsportentscheidung (BGHZ 128, 93) gültig und zulässig.

Wenn man allerdings tatsächlich einen Durchgriff von der FIFA bis in die Bezirks- oder in die Kreisliga haben möchte, dann wird man das derzeit herrschende Satzungsunterwerfungssystem wohl neu anzufassen haben.

 

Ist mit dem BGH-Urteil in der Sache SV Wilhelmshaven etwas zur Rolle des CAS gesagt worden, wie etwa in der berühmten Entscheidung zu Claudia Pechstein?

Das Verhältnis der internationalen Sportgerichtsbarkeit und des nationalen Rechts wird durch die SV Wilhelmshaven-Entscheidung im Prinzip nicht berührt, weil es keine direkte Verbindung gibt. Es wird zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass es eine rechtskräftige Entscheidung des Schiedsgerichts über die Rechtmäßigkeit des Zwangsabstiegs gibt, von dem der BGH jetzt festgestellt hat, dass der Norddeutsche Fußballverband ihn in Deutschland nicht wirksam vollzogen hat.

Das beruht allerdings auf vereins- und verbandsrechtlichen Gründen, die allein im deutschen Recht liegen. Da es nach Auffassung des BGH schon an der Unterwerfung/Ermächtigung für die Strafe fehlte, kam es für den Senat auf die Rechtmäßigkeit des Zwangsabstiegs und des dazu ergangenen Schiedsspruches nicht mehr an. Es ging weniger um die Frage, ob der der Zwangsabstieg zu Recht von der FIFA verhängt worden ist. Der BGH hat wohl folgende Frage entschieden: Konnte man den verhängten Zwangsabstieg rechtmäßig in Deutschland umsetzen?

Diese Frage hat der BGH mit „Nein!“ beantwortet, weil es keine ausreichende Ermächtigung hierfür in der Satzung des NFV gebe.

 

Kommt der SV Wilhelmshaven jetzt zurück in die Regionalliga?

Nein, das wird natürlich nicht funktionieren.

upwards_black_arrowDer SV Wilhelmshaven spielt mittlerweile in der Bezirksliga. Der actus contrarius zum Zwangsabstieg, also ein Zwangsaufstieg, wäre – wenn es ihn als Schadenersatzanspruch denn gäbe – auf Wiederaufstieg eine Liga höher gerichtet, nicht auf Aufstieg in die Regionalliga. Denn auch der Rechtsbefehl des Zwangsabstiegs ist ja bloß: „Spiel eine Liga tiefer“, demzufolge ist das Gegenteil: „Spiel eine Liga höher“. Hierbei kommt es zentral auf die Bestimmung des Inhalts des Naturalrestitutionsanspruchs an. Den Ansatz, den der SV Wilhelmshaven nunmehr offensichtlich versucht, ist: „Ich war vor der Zwangsabstiegsentscheidung in der Regionalliga, ich muss zu ihrer Rückabwicklung wieder in die Regionalliga.“ Das ist aber eine Milchmädchenrechnung, weil dieser Anspruch zu einer Überkompensation des schädigenden Verhaltens führen würde. Die jetzige Eingruppierung des Vereins in der Bezirksliga ist nicht kausal zur Zwangsabstiegsentscheidung. Es sind viele eigene Zwischenakte (Spielergebnisse, Auf- und Abstiege, Eingruppierungsanträge und -entscheidungen) dazwischengetreten, welche die Kausalitätskette unterbrechen. – Einmal ganz davon abgesehen: Eine „Rückkehr“ in die Regionalliga wäre, neben all den anderen Bedenken, aber ohnehin nur möglich, wenn der SV Wilhelmshaven die Regionalliga nicht aus anderen Gründen hätte verlassen müssen.

Ob auch deswegen dieser Schadenersatzanspruch auf Naturalrestitution besteht, ist mehr als zweifelhaft. Es wird sich sehr gut vertreten lassen, dass in Fällen wie dem vorliegenden eine Naturalrestitution ausscheidet, weil sie unmöglich ist: Nach der Zwangsabstiegsentscheidung sind mehrere sportliche Entscheidungen gefallen, die schlechterdings nicht zurückgedreht werden können. Auch fehlt es möglicherweise an der Kausalität, wenn der SV Wilhelmshaven, der – wenn ich mich recht erinnere – seinerzeit in der Regionalliga nicht bestens aufgestellt war, aus sportlichen Gründen ohnehin abgestiegen wäre. Es lässt sich einfach nicht prognostizieren, wo der SV Wilhelmshaven heute wäre, wenn er nicht zwangsabgestiegen wäre. Er ist damit auf eine Geldentschädigung zu verweisen (§ 251 Abs. 1 BGB). Deren Berechnung, zu der ich mich weiter nicht äußern möchte, weil es sonst viel zu juristisch wird, ist aber trotz der Erleichterungen nach § 252 BGB und § 287 ZPO für jeden Anwalt schon Herausforderung genug. Auch ein Sachverständiger, der das ausrechnen kann, wird mangels bestimmbarer Anknüpfungstatsachen kaum zu finden sein.

Wenn ein Anspruch auf einen Schadenersatzanspruch auf Aufstieg in die Regionalliga ausscheidet, wird aber auch der vermeintliche „sportrechtliche Schadenersatzanspruch auf Aufstieg in die nächsthöhere Klasse“ scheitern müssen.

Nach dem BGH-Urteil steht eine rechtswidrige Abstiegsentscheidung des NFV und damit eine Schadenersatzpflicht (dem Grunde nach) des NFV aus vertraglichen/quasi-vertraglichen Ansprüchen fest. Schuldner des Schadenersatzanspruchs ist der NFV.

Vom NFV kann aber der SV Wilhelmshaven eine Einordnung in die Landesliga nicht verlangen. Dieser ist für die Regionalliga zuständig, aber nicht für die Landesliga. Die Einteilung der Landesliga und ihre Verwaltung nimmt der Niedersächsische Fußballverband in seiner eigenen Zuständigkeit vor. Dies ist ein anderer Rechtsträger als der NFV und nicht Schuldner des Schadenersatzanspruchs des SV Wilhelmshaven. Und an dieser Stelle wird sich der SV Wilhelmshaven – was aus seiner Sicht als besonders bitter erscheinen wird, aber nach dem Ausschwenken aus der fußballerischen Solidargemeinschaft gerecht erscheint – an dem messen lassen müssen, was er vor dem BGH verlangt und was dieser ausgeurteilt hat: Der SV Wilhelmshaven wollte das anerkannte Pyramidensystem der Verbandshierarchie nicht anerkennen und hat die Verschachtelung der Verbände wie das wechselseitige Unterwerfungssystem bestritten, auf dem die Durchwirkung des Rechts und aller Entscheidungen nach oben und nach unten beruht (Prinzip der Allgemeinverbindlichkeit, vgl. § 3 DFB-Spielordnung, entsprechende Regelungen gibt es bei allen andere Verbände. Dieses System ist m.E. stärker durch die Verbandsautonomie geschützt, als der BGH meint.). Damit konnte der NFV die FIFA-Strafe nicht vollstrecken. Aber nur, wenn dieses System der Durchwirkung gilt, kann er mit dem Anspruch gegen den NFV vom Niedersächsischen Fußballverband (der – wie gesagt – ein ganz anderer Verband ist) Wiedereingliederung in die Landesliga verlangen, weil er ansonsten gegen einen nicht passivlegitimierten Schuldner vorgeht. Dies wäre aber vor dem Hintergrund des Klagevorbringens gegen den NFV ein ganz offensichtliches venire contra factum proprium – sprich: Der SV Wilhelmshaven würde sich zu vorherigem Verhalten in deutlichen Widerspruch setzen und würde deswegen damit nicht gehört.

thumbs_downDieser Punkt illustriert für meine Begriffe am besten, warum ich das Urteil des Bundesgerichtshofs für falsch halte: Es ist schlicht systemwidrig und ignoriert die Verbandsautonomie, durch die sich die Beteiligten in ein diffiziles, wohl definiertes und ihnen zustehendes System gesetzt haben.

Aber selbst, wenn man zu einem Aufstiegsanspruch in die nächst höhere Klasse kommen sollte (was ich nicht annehme), gibt es viele weitere Hürden. Durch eine (unplanmäßige, nicht auf sportlichen Leistungen beruhende) Hereinnahme des SV Wilhelmshaven in die Landesliga dürfte selbstverständlich keinem anderen Landesliga-Verein ein unsportlicher Nachteil entstehen. Deswegen müsste man möglicherweise eine Landesliga-Staffel für eine Saison um eine Mannschaft aufstocken, also etwa für eine Saison mit 17 oder 19 Mannschaften spielen. Dann muss insoweit aber natürlich auch die Auf- und Abstiegsregelung für den zuständigen Landesverband, möglicherweise mit erheblichen Auswirkungen auf die über- und untergeordneten Ligen, angepasst werden. Es versteht sich von selbst, dass dies nicht in der laufenden Saison, also frühestens zur Spielzeit 2017/18 umgesetzt werden könnte.

 

Wie ist das Vorgehen des SV Wilhelmshaven zu bewerten?

Das Verhalten des SV Wilhelmshaven ist nicht zu beanstanden. Es ist für mich als Richter selbstverständlich, dass Jedermann Rechtsschutz vor den ordentlichen Gerichten suchen kann – gerade auch gegen Maßnahmen sozialmächtiger Vereinigungen. Was mich an der Argumentation des Vereins stört, habe ich bereits ausgeführt. Es bleibt allerdings dem Durchhaltevermögen des Vereins zu verdanken, dass systemische Schwächen aufgedeckt worden sind, mit denen sich nicht nur die Juristen zu befassen haben werden.

 

Welche Signalwirkung geht von dem Urteil aus?

Nach den verschiedenen nationalen und internationalen Skandalen in den unterschiedlichsten Sportverbänden hat die Rechtsprechung in Deutschland eines klargemacht: Die Sportverbände haben große Macht. Ihre Machtausübung ist in Deutschland nicht unbeschränkt und hat aus guten Gründen verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grenzen. Deren Einhaltung wird durch die nationalen Gerichte in Deutschland in Zukunft penibel kontrolliert werden. Das Signal ist klar: Übertreibt es nicht, sonst bremsen wir Euch!

Die schwierige Frage im Einzelfall wird es sein, diesen Kontrollanspruch in Einklang mit der garantierten sportlichen Selbstverwaltung aus Art. 9 Abs. 1 des Grundgesetzes zu bringen. Jedenfalls wird dem organisierten Sport derzeit und in der Zukunft ganz erheblich auf die Finger geschaut.

 


(Abkürzungen: NFV = Norddeutscher Fußballverband (Regionalverband). Unterscheide: Niedersächsischer Fußballverband (Landesverband) – im Text nicht abgekürzt. Bildnachweis: Uwe Karwath, Wilhelmshaven – Eigenes Werk, Wilhelmshaven Jadestadion, U21-Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft, über Wikipedia. CC BY 2.5.

38. KW – Spannende Sportwoche beim BGH

Die 38. Kalenderwoche ist Sportwoche beim Bundesgerichtshof. Es steht zwar nicht das gerichtsinterne Fußballturnier zwischen den Senaten an, dafür geht es in der sportrechtlichen Rechtsprechung hoch her:

Karlsruhe_Erbgroßherzogliches_PalaisAm 20.09.2016 verkündet der II. Zivilsenat sein Revisionsurteil in der Causa SV Wilhelmshaven gegen den Norddeutschen Fußballverband (NFV). Ich hatte darüber berichtet und auch der mündlichen Verhandlung beigewohnt (mit Bericht und Nachlese). Bestätigt sich meine Vermutung und hat sich der Senat durch einen nichtnachgelassenen Schriftsatz (vor dem BGH nicht sonderlich üblich, aber zu Rechtsfragen jederzeit möglich) des beklagten NFV nicht noch in eine andere Richtung überzeugen lassen, wird der SV Wilhelmshaven wohl auch in der letzten Instanz Erfolg haben. Auf diesen Einzelfall bezogen, ist es bei einem „Blick aufs große Ganze“ relativ unerheblich, wie entschieden wird. Viel spannender ist, mit welcher Begründung der Senat zu seiner Entscheidung kommt. Wie ich bereits aufgezeigt habe, kann das Urteil je nach Begründung erhebliche Auswirkungen auf die rechtliche Konstruktion des organisierten Sports in Deutschland haben. Möglicherweise werden alle Sportverbände in Deutschland, nicht nur der Fußball mit dem DFB und seinen Landesverbänden, die bisherigen Wege der Unterwerfung ihrer Mitglieder insbesondere unter internationale Sportregeln und Entscheidungen internationaler Verbände erneut zu prüfen, zu überdenken und ggf. anzupassen haben. Ich werde mich bemühen, nach dem Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe so schnell wie möglich eine Analyse vorzulegen.

600413_original_R_by_Alexander Altmann_pixelio.deNicht weniger spannend geht es am 22.9.2016 beim VII. Zivilsenat zu. Der Senat verhandelt mündlich über die Revision des 1. FC Köln gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln. Dieses hatte, nachdem das Landgericht Köln dem FC zunächst Recht gegeben hatte, seine Regressklage gegen einen Zuschauer abgewiesen. Der beklagte „Fußballfan“ hatte in der zweiten Halbzeit des Spiels gegen Paderborn am 9.2.2014 einen Knallkörper gezündet und diesen vom Oberrang der Nordtribüne auf den Unterrang geworfen, wo er detonierte und sieben Zuschauer verletzte. Der FC verlangt vom Beklagten den Ersatz von 30.000 €, die einen Teil der seitens der DFB-Gerichtsbarkeit verhängten Geldstrafe darstellen. In diesem Verfahren wird also endlich höchstrichterlich geklärt, ob der von den Vereinen und vom DFB propagierte Regress für Verbandsstrafen zur Durchsetzung regelkonformen Verhaltens aller Zuschauer rechtlich möglich ist. Auch diese Entscheidung wird von Rechts- und Fußballexperten mit Spannung erwartet. Dies liegt insbesondere daran, dass es zwischenzeitlich sich inhaltlich widersprechende oberlandesgerichtliche Entscheidungen gibt, so dass eine Erklärung dringend erforderlich ist. Die sportrechtliche Fachwelt zeigte sich von dem in der Begründung teilweise überraschenden Urteil des Oberlandesgerichts Köln enttäuscht, weil sich der hiesige Senat mit seiner Auffassung in Widerspruch zu an sich geklärten Fragen gesetzt und andere spannende Detailfragen ungeklärt gelassen hat. Die hier auf die mündliche Verhandlung des BGH ergehende Entscheidung wird ohne Zweifel Einfluss auf die Regresspraxis der Bundesliga-Clubs und auf die Konzepte des DFB gegen Gewalt im Fußball haben. Auch hierüber werde ich weiter berichten.

Auch wenn in der 38. Kalenderwoche in Karlsruhe (jedenfalls nicht beim Bundesgerichtshof, möglicherweise jedoch am 24.9. im Wildparkstadion beim KSC gegen Aue) keine Tore fallen: Was entschieden und verhandelt wird, wird in der Sport- und Sportrechtswelt – wie beim Wettkampf üblich – auf der einen Seite für Jubel und auf der anderen Seite für Enttäuschungen sorgen, weil die Auswirkungen erheblich sein werden. Ein Unentschieden gibt es in der Sportwoche beim BGH wohl nicht.

 

 

Verhandlungsnachlese SV Wilhelmshaven, BGH am 05.07.2016

Mit einer Gruppe von 30 Jurastudierenden hatte ich die Freude, im Rahmen einer Exkursion als Lehrveranstaltung an der mündlichen Verhandlung des Bundesgerichtshofes in dem Rechtsstreit des SV Wilhelmshaven gegen den Norddeutschen Fußball-Verband (NFV) teilzunehmen. Selten habe ich eine spannendere Gerichtsverhandlung in einer Zivilsache erlebt und ich freue mich über das Feedback der Studierenden, die von einem lehrreichen und interessanten Tag gesprochen haben. Das war ein tolles Erlebnis!

Was allerdings in der mündlichen Verhandlung in der „Causa SV Wilhelmshaven“ besprochen wurde, bedarf m.E. indes einer kurzen juristischen Nachbetrachtung (Grundsätzliches zum Verfahren und zum Sachverhalt findet sich hier) und einer kritischen Würdigung.

Interessanter Einblick

Die Verhandlung vor dem II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat einen interessanten Einblick in die Analyse des Senats ermöglicht. Es wurde überdeutlich, dass der Senat große Bedenken hat, was eine notwendige Ermächtigungsgrundlage für die Bestrafung des SV Wilhelmshaven durch die FIFA angeht. Im Ergebnis geht es um die Unterwerfung des SV Wilhelmshaven unter die Bestimmungen der FIFA, wobei der Senat offensichtlich zwischen der „zivilrechtlichen“ Bindung (z.B. was die Verpflichtung zur Zahlung der Ausbildungsentschädigung angeht) und der „sanktionsrechtlichen Unterwerfung“ (was die Sanktionierungsfähigkeit des Vereins durch die FIFA betrifft) differenzieren will. Dies ergab sich aus den entsprechenden Fragen von RiBGH Prof. Dr. Strohn (, der – dies für den interessierten Sportrechtler nur am Rande – auch Mitglied des Kartellsenats des BGH ist und dem Vernehmen nach im Verfahren gegen Claudia Pechstein Berichterstatter war. RiBGH Prof. Dr. Strohn ist stellvertretender Vorsitzender des II. Zivilsenats und hat die Verhandlungsleitung aufgrund eines kurzfristigen Ausfalls des Vorsitzenden des II. Zivilsenats, Herrn Prof. Dr. Bergmann, übernommen.) Die vorgenannte Differenzierung ist im Ansatzpunkt nicht völlig unproblematisch, denn natürlich ist auch die Unterwerfung unter die Disziplinarbefugnis der FIFA ein Akt, der auf zivilrechtlicher Basis erfolgt (etwa durch einzelvertragliche Erklärung, durch Satzungsverweisungen oder durch ununterbrochene Wechselverweisungen in den jeweiligen Satzungen aller beteiligten Verbände). Allerdings ist dem Senat zuzugeben, dass – falls auf zivilrechtlicher Grundlage strafrechtsähnliche Akte unternommen werden sollen – an Klarheit und Transparenz höhe Anforderungen zu stellen sein dürften. Da es sich hier im Ausgangspunkt aber immer noch um Zivilrecht handelt, dürfen diese Anforderungen aber auch nicht überhöht werden. Dazu später.

Keine wirksame Unterwerfung?

Dem Senat ist sicherlich darin beizupflichten, dass hier die ausdrückliche Unterwerfung des SV Wilhelmshaven unter die Satzungen und Ordnungen der FIFA (und damit auch unter ihre Sanktionsbefugnis) noch deutlicher hätte formuliert werden können. Der DFB wird gut beraten sein, seinen Regional- und Landesverbänden zu empfehlen, in die Zulassungsverträge für diejenigen Spielklassen, in denen es in Betracht kommt, dass auch die internationalen Verbände einen eigenen Regulierungs- und Sanktionierungsanspruch gegen die Beteiligten haben können (etwa ab Regionalliga), eine eindeutige Unterwerfungserklärung aufzunehmen. Zusätzlich zur Unterwerfung unter die Bestimmungen des DFB, des Regional- und des Landesverbandes könnte man etwa formulieren:

„Der Verein anerkennt die Satzungen und Ordnungen der FIFA und der UEFA in ihrer jeweiligen Fassung sowie die auf ihrer Grundlage ergangenen Entscheidungen für sich und seine Mitglieder als verbindlich an. Ihm ist bewusst, dass deren Entscheidungen und Maßnahmen auch den DFB, den [Regionalverband] und den [Landesverband] binden und von diesen umzusetzen sind.“

Eine solche dynamische Verweisung in Einzelverträgen hat der Senat in ständiger Rechtsprechung für wirksam erklärt (BGHZ 128, 93 – Reitsportentscheidung). Die Klauseln unterliegen nicht der AGB-Kontrolle, sondern richterlicher Inhaltskontrolle nach § 242 BGB. Nach meinem Verständnis der mündlichen Verhandlung sind (dynamische) Satzungsverweisungen nach Auffassung des Senats immer noch keine taugliche Grundlage, eine flächendeckende Bindung aller am Sport beteiligten Personen und Institutionen herzustellen (, obwohl der Senat nicht erkennbar mit den neueren Tendenzen auseinandergesetzt hat). Der organisierte Sport würde dann langfristig insgesamt auf einzelvertragliche und ausdrückliche Unterwerfungen mit allen Verbänden, Vereinen und in den Spielberechtigungsanträgen sogar der Amateure auszuweichen haben. Das wäre fatal und letztlich nicht praktikabel. Ein Urteil in diese Richtung würde die Organisation des deutschen Sports massiv konterkarieren. Denn obwohl der Verein zum Abschluss einer solchen einzelvertraglichen Unterwerfungserklärung neben seiner Mitgliedschaft im Landesverband möglicherweise nicht gezwungen werden könnte, bliebe ihm aufgrund der Monopolstellung der Sportverbände ein Aufnahmeanspruch in die Landesverbände (und damit mittelbar in den DFB – übertragbar aber natürlich auf alle Sportarten). Es gäbe dann keine rechtlich zulässige und gleichzeitig praktikable Möglichkeit, die von den Welt- und Kontinentalverbänden in allen Sportarten verlangte Regeldurchgeltung bis an die Basis zu realisieren. Organisierter Profi- und Amateursport scheiterte in Deutschland damit letztlich an rechtlicher Unmöglichkeit. Wenn die deutschen Spitzenverbände die internationalen Anforderungen und Entscheidungen bis an ihre Basis aus Rechtsgründen nicht mehr durchsetzen können, wird dies massive Konsequenzen für den Sport in Deutschland haben. Das geht hin bis zum Ausschluss von Nationalteams von internationalen Wettbewerben durch die Welt- und Kontinentalverbände. Dies wäre ein Waterloo für den Sportstandort Deutschland. Der Senat ist m.E. gut beraten, die neuesten Entwicklungen in der Wissenschaft zur Wirksamkeit der dynamischen Verweisungen in Satzungen zu erwägen und in die Beratungen zur Sache einzubeziehen.

Skulptur „Bundesadler“ in einem Sitzungssaal beim Bundesgerichtshof

Was mich ferner massiv stört, ist die Art und Weise, wie sich der SV Wilhelmshaven – so ausdrücklich noch durch seinen BGH-Anwalt – vor dem Senat hat darstellen lassen. Man gerierte sich als unbedarfter Provinzclub, der „mal einen Vertrag mit zwei Spielern in Argentinien“ geschlossen hat, um die Mannschaft zu verstärken, und im Übrigen keine Ahnung davon gehabt hätte, dass insoweit die FIFA im Spiel sei. Das ist hanebüchen. Ein Verein, der auf dieser Ebene fußballerisch aktiv ist (war), kennt die zu Grunde liegenden Bestimmungen genau. Natürlich kommt es dem Verein allein darauf an, den eingekauften Spieler auch für seine Mannschaft spielberechtigt zu machen. Jeder, der schon einmal im Fußball beschäftigt war, weiß, dass die Vereine hier nicht nur wahre Experten, sondern manchmal auch findige Rechtsanwender sind. Und natürlich wusste man beim SV Wilhelmshaven, dass auch nach dem internationalen Spielerwechsel für diese neuen Vertragsspieler eine Spielberechtigung erforderlich ist, damit man sie auch einsetzen kann. Diese ist, unabhängig vom Spielerstatus nach § 8 der DFB-Spielordnung, nur unter Einschaltung des DFB möglich, weil die Vorgaben der FIFA für einen internationalen Vereinswechsel zu beachten sind. Diese sehen eine Anfrage des DFB beim abgebenden Nationalverband vor und führen letztlich zur Erteilung des „Internationalen Freigabescheins“, ohne den (bzw. ohne Freigabe) eine (vorläufige) Spielberechtigung dem aufnehmenden Verein nicht erteilt werden kann.

Wenn der SV Wilhelmshaven eines ganz genau wusste, dann natürlich, dass es dieses System des internationalen Spielerwechsels gibt, für das im Übrigen zumindest im Ausgangspunkt auch die gleichen Wechselfenster und -fristen wie bei allen anderen Spielerwechseln gelten. Und natürlich war den Handelnden auch bewusst, dass eine Ausbildungsentschädigung anfallen kann. Es ist für mich nach wie vor nicht nachvollziehbar, dass man sich zur Verstärkung des eigenen Teams dieses von der FIFA weltweit aufgespannten Systems bedient und anschließend erklärt, man habe nichts davon gewusst, dass die FIFA im Boot sei, und sei davon überrascht, dass der Weltverband auf Einhaltung der Regeln poche und deren Nichteinhaltung sanktioniere. Dass ist nicht nur der unbeachtliche Verbotsirrtum in Reinkultur (im staatlichen Strafrecht wäre das Vorbild natürlich § 17 StGB), sondern auch ein Paradebeispiel des venire contra factum proprium (§ 242 BGB). Dieses Verhalten ist zudem zutiefst unsportlich und unsolidarisch; es handelt sich um die vielzitierte „Rosinenpickerei“. Und nicht ohne völlige Überraschung wird es von Fußballexperten zur Kenntnis genommen, wenn der BGH-Anwalt des SV Wilhelmshaven dann dem Senat erklärt, das ganze habe – anders als die Spielregeln – nichts mit dem Spielbetrieb zu tun. Gerade die Transferregeln sorgen in besonderer Weise für Gerechtigkeit und Vergleichbarkeit der Leistungen im Wettkampfbetrieb. Deswegen muss auch noch einmal in besonderer Weise über die Möglichkeit der konkludierten Unterwerfung in Betracht gezogen werden, die der Senat bei Wettkampfteilnahme in ständiger Rechtsprechung für möglich gehalten hat (s.o.).

Konstitutiver Beschluss gegen den SV Wilhelmshaven?

Dass mit dem Präsidiumsbeschluss des NFV vom 07.12.2013, den von der FIFA verfügten Zwangsabstieg zu vollziehen, keine konstitutive, sondern eine deklaratorische Entscheidung des Regionalverbands vorliegt, habe ich mit dem Kollegen Stopper in SpuRt 2015, 51, 52-53, ausführlich dargelegt. Vom Wortlaut abgesehen –

Mitteilung des NFV vom 13.01.2014 an des SV Wilhelmshaven:
„[Der NFV] ist verpflichtet, die […] Entscheidungen zu vollziehen, und gehalten […], die Sanktion […] umzusetzen und den Zwangsabstieg zu vollziehen.“
Und so auch das Verbandsgericht des NFV im Urteil vom 20.02.2014:
„Der NFV hat mit der Anordnung des Zwangsabstiegs keine eigene Entscheidung getroffen, sondern die Entscheidung der FIFA vom 05.02.2012 vollzogen.“

– wird der NFV hier gleichsam als Vollstreckungsorgan der FIFA tätig, ist hierzu verpflichtet und hat alleine aus Gründen des hierarchischen Gefüges keinerlei eigene Überprüfungskompetenz. Es wird mehr als deutlich, dass der NFV keinen eigenen Bestrafungswillen gegenüber seinem Verein hat. Dieser ist aber erforderlich, will man von einer konstitutiven Sanktionsentscheidung des NFV ausgehen (Orth/Stopper, a.a.O.).

Aber auch hier gilt: Natürlich kann man über diese Frage streiten und in der mündlichen Verhandlung sind (mich nicht überzeugende) Argumente genannt worden, die für die andere Auffassung sprechen können.

Nicht überzeugend ist allerdings der Hinweis des Senats auf § 64 FIFA-Disziplinarordnung, der nach Auffassung des Senats eindeutig gegen eine deklaratorische Wirkung des NFV-Beschlusses sprechen soll. Die Vorschrift lautet:

1. Wer einer anderen Partei (z. B. einem Spieler, einem Trainer oder einem Klub) oder der FIFA eine Geldsumme, zu deren Zahlung er von einem Organ, einer Kommission oder Instanz der FIFA oder in einem nachfolgenden Berufungsverfahren des CAS verurteilt wurde (finanzielle Entscheidung), ganz oder teilweise vorenthält, oder wer eine andere (nicht finanzielle) Entscheidung eines Organs, einer Kommission oder Instanz der FIFA oder des CAS in einem nachfolgenden Berufungsverfahren nicht respektiert:
a) wird wegen Missachtung einer Entscheidung mit einer Geldstrafe belegt;
b) erhält von den Rechtsorganen der FIFA eine letzte Frist, um den geschuldeten Betrag zu bezahlen oder die (nicht finanzielle) Entscheidung zu respektieren;
c) (nur für Klubs) wird ermahnt und darauf hingewiesen, dass bei Nichtbezahlung oder Nichtrespektierung der Entscheidung vor Ablauf dieser letzten Frist ein Punktabzug oder der Zwangsabstieg in eine tiefere Spielklasse erfolgt. Zudem kann eine Transfersperre ausgesprochen werden;
d) […]
2. Lässt der Klub diese letzte Frist ungenutzt verstreichen, wird der entsprechende Verband aufgefordert, die angedrohten Sanktionen in die Tat umzusetzen.
3. […]
4. […]
5. Die Berufung gegen eine nach diesem Artikel getroffene Entscheidung ist direkt an das CAS zu richten.
6. […]
7. […]

Der Senat zielt wohl darauf ab, dass wegen der ursprünglich ausgesprochenen Verpflichtung des SV Wilhelmshaven, Ausbildungsentschädigung an den abgebenden Verein zu zahlen, das Verfahren nach § 64 Abs. 2 FIFA-Disziplinarordnung zu wählen gewesen wäre. Also hätte die FIFA, nachdem der SV Wilhelmshaven die letzte Frist zur Zahlung hat verstreichen lassen, Sanktionen anzudrohen und dem DFB (und seinen Mitgliedsverbänden) diese dann zur Festsetzung und Vollstreckung zu überweisen. In einem solche Fall kann auch nach meiner Auffassung wenig Zweifel daran bestehen, dass eine etwaige Strafentscheidung des DFB oder seiner Mitgliedsverbände dann eine konstitutive Sanktionsentscheidung wäre. So liegt der Fall hier aber gerade nicht. Die FIFA hat hier, aus welchen Gründen auch immer, nicht das Verfahren nach § 64 Abs. 2 FIFA-Disziplinarordnung gewählt. Vielmehr hat die FIFA Disziplinarkommission mehrere eigene Strafentscheidungen (und zuletzt den Zwangsabstieg) beschlossen und verfügt. Da insbesondere die Zwangsabstiegsverfügung allerdings erfolglos vom SV Wilhelmshaven vor dem CAS angegriffen wurde, ist die regelnde Wirkung der Strafentscheidung in materieller Rechtskraft erwachsen und nur noch zu vollstrecken; diese materielle Rechtskraft steht auch der erneuten Überprüfung etwaiger Verfahrensmängel, die möglicherweise durch die Missachtung des vorgesehen Verfahrens vorliegen, entgegen. Das ist eine grundsätzlich andere Situation als die in § 64 Abs. 2 FIFA-Disziplinarordnung vorgesehene. Die Vorschrift kann nur zur Beurteilung des dort beschriebenen Regelfalls herangezogen werden, jedoch nicht für den vorliegenden Fall des SV Wilhelmshaven.

Auch hier ist dem DFB zu empfehlen, seine Satzungslage (auch in seinen Mitgliedsverbänden) im Hinblick auf das nach § 64 Abs. 2 FIFA-Disziplinarordnung vorgesehene Verfahren, welches dann ja zukünftig wohl zur Anwendung kommen wird, entsprechend anzupassen und flächendeckend für eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage zu sorgen.

Fehlende Transparenz?

Ri’in BGH Caliebe hat darüber hinaus durch ihre Nachfragen in der mündlichen Verhandlung das Transparenzproblem aufgebracht. Wenn man denn unterworfen sei, welche Regeln würden dann gelten? Sei die Unterwerfung und das dann geltende Regelwerk hinreichend erkennbar? – M.E., das habe ich auch schon in meiner Dissertation vertreten, ist dieses Problem überholt. Selbstverständlich gilt das gesamte Regelwerk der FIFA, sofern es sachbezogen den Spielbetrieb und dessen Regulierung betritt. Es gibt aber nichts Bestimmteres als „das gesamte Regelwerk“. Transparenz besteht hier zu 100 % und insoweit wiederhole ich mein Lob an die vielen vorbildlich agierenden Sportverbände: Die Regelwerke in der jeweils gültigen Fassung ist völlig ohne Suchaufwand, jederzeit, für jedermann und kostenfrei im Internet abrufbar. Mehr Transparenz geht nicht. Deswegen kann m.E. auch eine konkludente Unterwerfung durch bloße Teilnahme an einem internationalen Spielerwechsel rechtlich funktionieren.

Keine Drittbindung?

Daran dass die – rechtskräftige – Entscheidung der FIFA, der SV Wilhelmshaven habe abzusteigen, ebenfalls den DFB und den NFV bindet (vom Senat als Problem der „Drittbindung“ angesprochen), kann nach dem hierarchischen Aufbau des organisierten Fußballs mit dem gegenseitigen Unterwerfungs- und Regeldurchgeltungsanspruch sowie nach § 17a DFB-Satzung m.E. keinerlei Zweifel bestehen. Wer das nicht akzeptiert, verkehrt die Welt.

Urteil am 27.09.2016

Der Senat hat Verkündungstermin für den 27.09.2016 bestimmt. Das ist spät. Offensichtlich besteht doch größerer Beratungsbedarf, was absolut nachvollziehbar ist: Die aufgeworfenen Probleme sind alles andere als trivial. Die Auswirkungen der Entscheidung können riesig sein.

An meinem Wunsch für das Ergebnis kann kein Zweifel bestehen. Der Senat hat gute Argumente, sich nicht ohne Not gegen ein gut aufgestelltes organisiertes Sportsystem zu wenden. Dass weitere Hausaufgaben seitens der Verbände zu machen sind, ist ebenfalls gehört worden. Bei mir bleibt die Hoffnung, dass der Senat sich den u.a. hier erneut vertretenen Argumenten noch weiter öffnet, als es in der mündlichen Verhandlung den Anschein gehabt haben könnte.

BGH verhandelt Fall SV Wilhelmshaven am 05.07.2016

Die mündliche Verhandlung über die Revision des Norddeutschen Fußballverbandes (NFV) gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen im Rechtsstreit mit dem SV Wilhelmshaven wird am Dienstag, 05.07.2016, 11.00 Uhr, in Karlsruhe stattfinden. Dies teilte die Geschäftsstelle des 2. Zivilsenats heute auf Anfrage mit (Az. II ZR 25/15).

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann auf das sportrechtliche Gefüge in Deutschland ähnlich großen – wenn nicht sogar noch größeren – Einfluss haben wie die für den 07.06.2016 angekündigte Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts in Zivilsachen in der Sache von Claudia Pechstein. In der Causa Wilhelmshaven geht es vor dem Senat im Wesentlichen um die Frage, ob die nationalen Sportverbände Entscheidungen eines internationalen Sportverbands, die sie aufgrund ihrer Mitgliedschaft umzusetzen verpflichtet sind, vor der Umsetzung einer Überprüfung auf die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu unterziehen haben, insbesondere wenn über die umstrittene Rechtsfrage bereits ein internationales Schiedsgericht entschieden hat und der Rechtsweg hiergegen ausgeschöpft ist. Eine solche Überprüfungspflicht widerspricht zumindest dem Selbstverständnis der streng hierarchischen verbandlichen Organisation, die nach europäischen und deutschen Grundrechten geschützt ist. Daher ist der Ausgang des Rechtsstreits nicht nur mittelbar auch für die FIFA, die UEFA und natürlich den DFB relevant.

Die in diesem Zusammenhang auftretenden Rechtsfragen, im materiellen Recht auch zu Fragen der Zulässigkeit von internationalen Ausbildungsentschädigungsvorschriften, habe ich mit Rechtsanwalt Dr. habil. Martin Stopper für die SpuRt analysiert (Ankündigung hier). Der Aufsatz ist hier im Volltext abrufbar (Webseite von Lentze Stopper).

Für Studierende der Universität zu Köln werde ich zu diesem Termin eine Exkursion anbieten. Nähere Informationen gibt es hierzu hier in Kürze.


Beitragsbild von Thomas Steg. Der ursprünglich hochladende Benutzer war TSteg in der Wikipedia auf Deutsch – Photo taken by Thomas Steg (selbst fotografiert); Übertragen aus de.wikipedia nach Commons.; description page is/was here., CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4042738

 

Entscheidungsbesprechung: OLG Bremen zu SV Wilhelmshaven

Der Rechtsstreit SV Wilhelmshaven e.V. gegen den Norddeutschen Fußball-Verband e.V. (NFV) hat großes Potenzial. Dieses Potenzial ist eher sportpolitisch als juristisch, weil die rechtswissenschaftlichen Grundlagen – jedenfalls in der Literatur – eindeutig geklärt waren. Die sportrechtlichen Experten hat der Bremer Spruch daher zumindest überrascht. Geschichte und Bedeutung der Streitigkeit hat Christian Teevs für Spiegel online Sport vollkommen richtig und leicht verständlich kürzlich noch einmal zusammengefasst.

SpuRt_160wIn der gerichtlichen Auseinandersetzung hat bekanntlich das Landgericht Bremen die Klage des SV Wilhelmshaven abgewiesen; auf seine Berufung hat das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen hinsichtlich des angeordneten Zwangsabstiegs festgestellt, dass dieser unwirksam sei. Der beklagte NFV hat gegen die oberlandesgerichtliche Entscheidung Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt.

Das laufende Revisionsverfahren ist der Anlass für Herrn Rechtsanwalt Dr. habil. Martin Stopper und mich, die Entscheidung des OLG Bremen für die Zeitschrift für Sport und Recht einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Unsere ausführliche Analyse erscheint im Heft 2/2015 der SpuRt (Auslieferung: ca. April 2015)  unter dem Titel „Entscheidungsvollzug in der Verbandspyramide und Ausbildungsentschädigung“. Sie geht – fachlich – insbesondere auf die wesentlichen zwei rechtlichen Aspekte ein, die auch im o.g. Spiegel online Sport-Artikel herausgearbeitet worden sind.

Nach der Einleitung

„Mit seiner Entscheidung in der Causa SV Wilhelmshaven hatte sich der Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen mit der Vollstreckung von Strafentscheidungen eines internationalen Sportverbandes durch den zuständigen Nationalverband und die gerichtliche Überprüfbarkeit durch die nationalen Gerichte zu befassen. Ferner prüfte er die Zulässigkeit einer Ausbildungsentschädigung nach einem internationalen Spielerwechsel an Art. 45 AEUV. Nach Auffassung der Autoren erweist sich die Entscheidung als insgesamt systemwidrig, berücksichtigt die Verbandsautonomie zu wenig und verkennt den Regelungsbereich von Art. 45 AEUV.“

kommen wir nach der Darstellung von „A. Sachverhalt“, „B. Stellung und Prüfungsbefugnis der deutschen Verbände“, „C. Der behauptete Verstoß gegen Art. 45 AEUV“ unter D. zu folgendem Fazit:

„Der Kläger kann nicht, nachdem er die Ausschöpfung des Rechtswegs gegen die ihn treffende Sperrentscheidung versäumt hat, durch die Hintertür – durch die Klage gegen einen deklaratorischen Beschluss nämlich – Rechtsschutz vor den deutschen Gerichten erlangen. Das ist nicht nur materiell rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), ihm fehlt für eine entsprechende Klage auch das Rechtsschutzbedürfnis. Das Bremer Senatsurteil überzeugt aus den o.g. Gründen nicht; es weist darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Ungenauigkeiten auf und postuliert ohne Anwendung der anerkannten Methoden weitreichende Rechtssätze für den Rechtsschutz im internationalen Verbandsrecht, die bislang nicht aufgestellt worden sind. Inhaltlich verkennt das Urteil die autonome Struktur der nationalen und internationalen Sportverbände. Ihren grundrechtlichen Schutz ignoriert es, um die Senatsauffassung an die Stelle eines rechtlich anerkannten, gelebten und funktionierenden Systems zu setzen.
Das bestehende System der Ausbildungsentschädigung bedeutet grundsätzlich eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Sinne des Art. 45 AEUV. Jedoch kann diese Beeinträchtigung mit dem legitimen Ziel des Allgemeininteresses an einer sozialen und nachhaltigen Nachwuchsarbeit im Fußballsport gerechtfertigt werden. Auch die Berechnung der Ausbildungsentschädigung, gemessen am finanziellen Aufwand, den der neue Verein gehabt hätte, wenn er den Spieler selbst ausgebildet hätte, zeigt, dass die Transfers individuell behandelt werden. Das System ist somit durch seine besonderen Ziele zur Wahrung der Leistungsgerechtigkeit zugunsten von ausbildenden Clubs geeignet, angemessen und erforderlich und somit gegenüber dem Eingriff ausreichend gerechtfertigt.“

Unsere ausführliche Argumentation und die vertiefte Analyse kann ab April im Heft 2/2015 der SpuRt nachgelesen werden. „Allerdings ist unser Ergebnis eindeutig“, erklären die Autoren unisono. „Die Entscheidung des Oberlandesgerichts erweist sich bei genauer Analyse in mehrfacher Hinsicht als systemwidrig. Unseres Erachtens kann und wird sie vor dem Bundesgerichtshof keinen Bestand haben.“

Sportrechtlich bleibt es also sehr spannend. Mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist nicht vor dem Herbst zu rechnen.