Zum möglichen Ende der sog. „Dreifachbestrafung“

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Die Mär vom Ende der „Dreifachbestrafung“ geht um. Die Abkündigung des Themas ließ nicht lange auf sich warten:

IFAB: Dreifachbestrafung bleibt wohl bestehen
Die „Regelhüter“ des International Football Association Board (IFAB) haben das Streitthema, nach dem nach einer per Foul verhinderten klaren Torchance im Strafraum zwingend auch eine Rote Karte gezeigt wird (Elfmeter, Feldverweis und Spielsperre), bislang noch nicht auf die Agenda für das kommende Treffen am 2. März in Schottland gesetzt. (SID-Newsletter vom 13.01.2014)

Das ist auch gut so, denn in der Diskussion ist einmal mehr so einiges unpräzise. Schon die Begrifflichkeit vernebelt und hat etwas von populistischer Unschärfe.

Begehe ich eine Notbremse im Strafraum, geschehen drei Dinge:

  1. Die Fußballregeln ordnen als spieltechnische Folge den Strafstoß gegen meine Mannschaft an.
  2. Als persönliche Strafe ist gegen mich der Platzverweis vorgesehen.
  3. Verbandsrechtliche Folge des Platzverweises ist eine Spielsperre nach der jeweils eingreifenden Spielordnung des zuständigen Verbandes.

Rechtsdogmatisch kann man heiß darüber diskutieren, ob die drei oben genannten Folgen „Strafe“ im materiellen Sinne sind. Am wenigsten ist es die spieltechnische Folge „Strafstoß“, am meisten sicherlich die Sperre durch den Verband.

Die spieltechnische Folge trifft nicht den die Regeln übertretenden Spieler, sondern eher seine Mannschaft, am Ehesten indes das Spiel. Es ist die bloße Anordnung der Spielfortsetzung, welche die Regeln treffen müssen, falls das Spiel unterbrochen wird. Sie ist von daher wohl keine Strafe: Auf Schuld und Sühne kommt es nicht an; es wird schlicht bestimmt, wie es weitergeht. Und hat der Verteidiger es nicht geschafft, zu seiner Notbremse noch rechtzeitig außerhalb des Strafraums anzusetzen, kommt es eben zum Strafstoß, weil er ein Foul innerhalb des Strafraums begeht, das ansonsten einen direkten Freistoß nach sich ziehen würde. Schon nach dem Wortlaut der Regeln ist das keine Sanktion, es ist ein „free kick“, ein „freier“ (i.S.v. ohne eigenes Zutun erlangter) „Stoß“, den die eine Mannschaft erhält, weil die anderen die Spielregeln missachtet haben. Das Gleiche gilt übrigens für den Strafstoß („penalty kick“), obwohl er anders heißt. Abgesehen davon, dass der Strafstoß einen angeblichen Strafcharakter im Volksmund lange verloren hat („Elfmeter“), war er historisch auch nie als Strafe angelegt. Seine Bezeichnung dient offensichtlich nur der Beschreibung seiner besonderen Gefährlichkeit, der stark erhöhten Wahrscheinlichkeit nämlich, aus ihm direkt ein Tor zu erzielen. Dogmatisch ist er damit eine Vorstufe zu einem „technischen Tor“, wie es andere Sportarten kennen. Er dient damit der Kompensation der Regelübertretung der gegnerischen Mannschaft, nicht hingegen ihrer Sühne. Somit ist auch der Strafstoß lediglich eine spieltechnische Folge.

Scharf zu trennen davon, ist die persönliche Strafe, der Platzverweis. Hier wird das persönliche Fehlverhalten des Spielers durch die Regeln sanktioniert. Diese Strafe stellt wohl fast immer auf persönliche Vorwerfbarkeit ab und sühnt den Regelstoß des Spielers gegenüber dem Gegner. Die Strafe hat generell- und spezialpräventive Aspekte: Der spezielle Spieler kann Regelübertretungen in diesem Spiel nicht mehr vornehmen und ganz generell sehen die übrigen Mitspieler, dass das unfaire Verhalten nicht akzeptiert, sondern sanktioniert wird: Tut man Böses, darf nicht mehr mitspielen – und wird deswegen Regelübertretungen deswegen künftig vermeiden.

Nächste Folge ist die verbandsrechtliche Sperre des Spielers, der den Platzverweis erhalten hat. Anknüpfungspunkt ist hier der erfolgte Platzverweis, Bewertungsmaßstab indes das dem Feldverweis zu Grunde liegende Verhalten. Platzverweis und Sperrstrafe verbinden sich zu einer mehraktigen Gesamtsanktion; der Platzverweis geht in der Sperrstrafe auf. Sie soll den fehlbaren Spieler zukünftig zu regelkonformem, idealiter fairem, Verhalten animieren. Das ist übrigens bei jedem Platzverweis so – unabhängig davon, ob er wegen einer „Notbremse“ verhängt wurde. Hierin liegt keine Doppelbestrafung. Entweder man begreift den Platzverweis als vorläufigen Ausschluss, bis es zu einer endgültigen Beurteilung durch die verbandliche Gerichtsbarkeit kommt, oder man sieht hier ein zulässiges Nebeneinander von verbandlichem Disziplinarrecht (sofortiger Wettkampfausschluss wie etwa nach drei Fehlstarts) und verbandlichem Sportstrafrecht. Im Verbandsgerichtsbarkeitsverfahren kann dem Schweregrad des zu Grunde liegenden Vergehens ausreichend Rechnung getragen werden. Der Spieler kann, je nach Vergehen, angemessen gesperrt oder – in klaren Ausnahmefällen – sogar freigesprochen werden. Begeht er eine „normale Notbremse“, also etwa durch ein den Gegner nicht gefährdendes Textilvergehen, bekommt er eine vergleichsweise kurze Strafe, gefährdet er durch eine brutale Attacke die Gesundheit des Gegners, so wird er deutlich länger gesperrt. Auch in Summe der Konsequenzen vermag ich hier Ungerechtigkeiten nicht zu erkennen.

So überraschend die Erkenntnis, dass regelwidriges Verhalten erhebliche Konsequenzen hat, individuell auch sein mag, mit „Dreifachbestrafung“ hat dies nichts zu tun. Jedes Foul, das platzverweiswürdig ist, zieht die oben beschriebenen Folgen nach sich. Es mag sich empfehlen, regelkonform zu spielen, um negative Folgen zu vermeiden. Dass mit frühen Platzverweisen nach Notbremsen „große Spiele“ oder sogar „der Fußball kaputt gemacht werden“ kann, drängt sich mir nicht auf: Wir haben schon viele tolle Kämpfe von Teams in Unterzahl gesehen, die trotz der zahlenmäßigen Schwächung ein „großes Spiel“ geliefert und es manchmal sogar noch „gedreht“ haben.

Noch eines: Überraschend sind die Anführungszeichen im SID-Beitrag. Die Mitglieder des IFAB sind nicht die „Regelhüter“, sie sind die Regelhüter!

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